Mehr Platz für Flaneure

Mehr Platz für Flaneure

Die Stadt geht in die Raumplanungsoffensive und präsentiert ein Konzept zur Revitalisierung des Moldau-Ufers

13. 2. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: IPR Praha

Das Erscheinungsbild vieler öffentlicher Plätze, Straßenzüge und Uferpromenaden Prags entstammt einer veralteten Stadtplanung. Mit dem Siegeszug des Individualverkehrs im 20. Jahrhundert wurden große Teile der Stadt auf das Automobil ausgerichtet. Sozialistische Kunst auf großen Plätzen ist oft mehr Hindernis als Bereicherung. Ein Ergebnis dieser Planung, bei der der Faktor Mensch nur am Rande mitgedacht wurde: Ein Spaziergang an der Moldau ist heute nur an wenigen Uferabschnitten möglich. Gegen Norden in Richtung Libeň – aber nicht nur dort – säumen Industriebrachen, Straßen oder urbanes Niemandsland die Flussufer. Der Stadtrat unter dem jungen Oberbürgermeister Tomáš Hudeček (TOP 09) will Prag nun wieder näher an die Moldau rücken lassen. Am Dienstag vergangener Woche veröffentlichte der Magistrat ein umfassendes „Konzept der Prager Ufer“: die Vision einer durchgängig fußgänger- und fahrradfreundlichen Uferpromenade.

Unter Hudeček wurde die alte Stadtentwicklungsbehörde in ein transparentes und professionelles „Institut für Planung und Stadtentwicklung“ umgewandelt. Seit Herbst 2013 koordiniert die Behörde eine umfassende Stadtplanung. Ausdrücklich soll hierbei auch die Meinung der Bürger eine gewichtige Stimme erhalten. Vor allem dieser Punkt war schon immer ein Anliegen von Oberbürgermeister Hudeček, der im Juni 2013 das Amt von seinem Vorgänger Svoboda übernahm. Davor war er als dessen Stellvertreter unter anderem für Stadtentwicklung zuständig. In einem Interview mit der „Prager Zeitung“ sprach er damals, kurz nach seiner Inauguration, von der Wichtigkeit „Experten und Laien zusammenzubringen und in Diskussionen verbindliche Entscheidungen zu ermöglichen“. Nun lässt Hudeček Taten folgen.

Moderierende Stadt
„Wir wollen es den Einheimischen sowie den Touristen ermöglichen, die Moldau auf ihrer ganzen Länge innerhalb der Hauptstadt entlang zu spazieren. Damit das funktioniert, ruft das Konzept zur Zusammenarbeit aller involvierten Akteure auf. Die Stadt moderiert sodann die Entwicklung hin zu einem Naherholungsgebiet im Zentrum der Stadt“, sagt Hudeček zum Konzept der Prager Ufer. Ein ambitioniertes Kommunikations- und Planungsvorhaben.

Zwar gehört ein Großteil der Ufergebiete der Stadt, einige davon sind aber, je nach Vertrag, für verschieden lange Zeiträume an private Nutzer vermietet oder ganz in deren Besitz. Genau jene „Akteure“ sollen nun überzeugt werden, diese Uferpromenaden in Absprache mit der Stadt und den Bürgerforen so zu gestalten, dass sie für alle zugänglich werden. Dabei sollen die ökonomischen Bedürfnisse der Uferparzellen-Eigentümer keineswegs zu kurz kommen. Entlang des Flusses sollen verschiedene Zonen entstehen. ­Bürokomplexe, neue Wohnhäuser, Freizeitparks, Radwege, Spielplätze und Grünflächen sollen sich gegenseitig ergänzen und nebeneinander existieren.

„Viele sehr wertvolle und neuralgische Orte in Flussnähe sind zur Zeit in privater Hand und stellen für die Bevölkerung somit keinen Mehrwert dar“, so die Architektin und verantwortliche Leiterin des Konzepts Pavla Melková. In vielen europäischen Metropolen seien in den vergangenen Jahrzehnten entlang der Flüsse neue urbane Gebiete für Freizeitaktivitäten entstanden, die von der Bevölkerung durchweg positiv aufgenommen wurden. Auf diesen Zug möchte man nun aufspringen.

Angesichts urbaner Schand­flecken wie zum Beispiel der Insel Štvanice oder Uferabschnitten in Karlín ist das ein längst überfälliges Vorhaben. Vor allem bei der Finanzierung von bereits in öffentlicher Hand befindlichen Parzellen sollen gemäß Konzept auch EU-Fördergelder beantragt werden.

Vorbild Rašín-Promenade
Konkrete und ausgereifte Projekte liegen zur Zeit aber noch nicht vor. In naher Zukunft etwa soll man unter anderem am Smetana-Ufer zwischen Nationaltheater und Karlsbrücke nicht mehr nur auf den Gehwegen entlang der vielbefahrenen Straße, sondern direkt an der Moldau spazieren gehen können. Als Vorbild dient die bereits bestehende Promenade etwas weiter flussaufwärts: Das Rašín-Ufer (Rašínovo nábřeží) versprüht mit Cafés und Märkten vor allem im Sommer nahezu mediterranen Charme und wird von der Bevölkerung rege in Anspruch genommen.

Es scheint, als würden in Prag nun tatsächlich Nägel mit Köpfen gemacht. Noch im Frühling 2013, zur Zeit der Amtsübernahme Hudečeks, ging mit dem „reSITE“-Festival in Prag erst zum zweiten Mal eine Veranstaltung über die Bühne, die sich drei Tage lang ausschließlich der Gestaltung des öffentlichen Raumes widmete. Einer der Gastredner und Gallionsfiguren war damals Tomáš Hudeček. Wichtiges Thema des Festivals: die Nutzung der städtischen Uferpromenaden. Bleibt zu hoffen, dass der Schritt von Konzeption zu Umsetzung ebenso schnell vonstattengeht, wie die öffentliche Diskussion zur städtischen Konzeption wurde.