Konkurrent für Václav Havel

Konkurrent für Václav Havel

Im Norden Prags soll der zweite internationale Flughafen der Hauptstadt entstehen. Die Anwohner gehen auf die Barrikaden

31. 7. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: Letiště Vodochody

Bis zu 3.000 neue Arbeitsplätze, günstige Flüge, 3,5 Millionen Reisende pro Jahr. Das verspricht der Flughafenbetreiber Letiště Vodochody beim Ausbau des zweiten internationalen Flughafens in Prag. Entstehen soll das Terminal mit dem internationalen Kürzel VOD etwa sieben Kilometer nördlich der Stadtgrenze, nahe der Stadt Kralupy nad Vltavou. Die Penta Investment Group will das Areal, das zum Fabrikgelände des Flugzeugherstellers Aero Vodochody gehört und heute Privatflüge abfertigt, für 3 Milliarden Kronen (rund 116 Millionen Euro) zum Konkurrenten für den Václav-Havel-Flughafen im Nordwesten Prags ausbauen. Ab 2016 sollen von der Start- und Landebahn vor allem Billigflieger abheben.

Die Pläne für den Ausbau liegen bereits seit knapp sieben Jahren vor und ziehen seither den Ärger der Anwohner auf sich. Zuletzt entzündete sich dieser an einer öffentlichen Anhörung des Umweltministeriums in der vergangenen Woche. Das Ministerium will bald die Ergebnisse einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bekanntgeben. Diese scheinen bereits festzustehen. „Dem Ministerium liegt ein positives Gutachten vor“, sagt Ministeriumssprecher Matyáš Vitík, „das ist eine der Grundlagen für die Ergebnisse der UVP.“

Die Sorge vor Fluglärm erhitzt die Gemüter. Bereits bei der Diskussion mit dem Umweltministerium beschwerten sich die Anwohner lautstark, der Termin sei absichtlich wochentags und in den Ferien angesetzt worden, um eine zu große Öffentlichkeit zu verhindern. Trotzdem kamen mehrere hundert Bürger zur Anhörung in das Messezentrum Letňany – mit einer Kampf­ansage: Sollte das Ministerium grünes Licht geben, wollen sie vor Gericht ziehen. Die zur UVP gehörigen Unterlagen seien fehlerhaft, argumentieren die Vertreter der Gemeinden, die sich in der Bürgerinitiative „Stop Letišti Vodochody” („Stoppt den Flughafen Vodochody“) zusammengeschlossen haben.

Elfmal Nein ist nicht genug
Auf die Seite der Gemeinden hat sich inzwischen auch die Regionalregierung Mittelböhmens geschlagen. Die Argumente des Penta-Sprechers lassen nicht nur bei den Anwohnern Zweifel aufkommen: „Wenn die UVP zur zweiten Runway in Ruzyně positiv ausgefallen ist, sehe ich keinen Grund, warum unser Projekt abgelehnt werden sollte“, sagte Martin Danko gegenüber der Nachrichtenagentur čtk.

Die Ängste der Anwohner liegen auf der Hand: Fluglärm, Wertverlust ihrer Grundstücke, negative Folgen für Flora und Fauna zwischen den Flüssen Moldau und Elbe, Belastung durch zunehmenden Autoverkehr. In der Region wurden bislang elf Referenden über den Bau des internationalen Flughafens abgehalten – die Ergebnisse waren allesamt negativ. „Das Projekt wäre eine unerträgliche Last für die Bewohner“, sagte der stellvertretende Kreishauptmann von Mittelböhmen Marek Semerád (ČSSD) während der Anhörung.

Die Flughafenleitung versucht indes zu beschwichtigen. „Jährlich sollten 35.000 Flugzeuge starten und landen. Nach zehn Uhr abends lassen wir maximal 730 Flugzeuge im Jahr zu, an einem Abend werden es deshalb nie mehr als vier sein“, erklärte Flughafenchef Martin Kačura vor den versammelten Anwohnern – und erntete Pfiffe und Schimpftiraden.

Die Verkehrsproblematik sollte der Flughafen nach Vorstellung der Betreiber eher lösen denn verschlechtern. Es liege nicht in ihrem Interesse, dass Reisende in den umliegenden Städten im Stau stünden. Man wolle in die Infrastruktur der gesamten Region investieren und eine Autobahnanbindung schaffen. Auch dieses Argument dürfte die wenigsten Anwohner beschwichtigen. Die fürchten zudem, dass die ausgehandelten Flugbeschränkungen fallen könnten, wenn der Investor aussteigt. Dass nach dem Bau des Flughafens Vodochody auch ein Verkauf zur Debatte stünde, hat Penta nie dementiert.

Billig-Airlines im Sinkflug?
Das wohl größte Fragezeichen steht jedoch hinter dem Sinn des Großprojekts. Der größte tschechische Flughafen im Stadtteil Ruzyně liegt nur knapp 16 Kilometer Luftlinie entfernt. Eineinhalb Jahre lang sind dort die Fluggastzahlen zurückgegangen, erst in den vergangenen zwei Monaten war ein geringer Anstieg von rund vier Prozent verzeichnet worden. Zugleich ist auch in Ruzyně ein Ausbau geplant. 2016 soll eine parallele Landebahn gebaut werden.

Laut dem Flughafenbetreiber Letiště Vodochody wolle man im Gegensatz zum Václav-Havel-Flughafen vor allem Low-Cost-Airlines anlocken. Europaweit zeichnet sich jedoch eine langsame Sättigung des Billigflugsektors ab. Die einst steilen Wachstumsraten gehen inzwischen europaweit zurück. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) verzeichnete für die Bundesrepublik in der zweiten Jahreshälfte 2012 erstmals einen Rückgang des Marktanteils von Billigfliegern.

Auch wenn bereits Billigflieger der Firmen WizzAir oder Easyjet den Václav-Havel-Airport anfliegen und auch die Flughäfen Brünn, Dresden und Nürnberg für die Prager gut erreichbar sind, glaubt die Flughafenleitung Vodochody an das Wachstumspotential in Tschechien. Das bestätigt unter anderem eine Untersuchung der Europäischen Organisation für Luftverkehrskontrolle Eurocontrol. Demnach werde in Tschechien das Potential des Luftverkehrs bislang nur unterdurchschnittlich bedient.