Königin am Waldrand

Königin am Waldrand

Die Tanzhalle im Reichensteiner Gebirge empfängt nach jahrelangem Verfall wieder Gäste

11. 5. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: TR

 

Erst Restaurant und Tanzsaal, dann Spielzimmer und schließlich Verfall: Im Reichensteiner Gebirge (Rychlebské hory) an der Grenze zwischen Polen und Tschechien verbirgt sich ein einmaliges Bauwerk. Versteckt gelegen unterhalb der Teufelskanzel, einer Felsformation über dem Krebsbach (Račí), steht seit über einem Jahrhundert die „Tančírna“ – ein Lokal, das in dieser Gestalt wohl keiner am Waldrand erwartet hätte. Im sogenannten Schweizer Stil, der alpenländischen Bauernhäusern nachempfunden ist, wurde nahe dem mährisch-schlesischen Dorf Bernartice u Javorníka (Barzdorf) um 1906 eine Tanzhalle errichtet, die lange Zeit ein beliebtes Ausflugsziel der Region war. Spitznamen wie „Schmuckstück“ und „hundertjährige Königin“ zeugen von ihrer Anziehungskraft.

Dass in dem Lokal jemals wieder Feste stattfinden – am Samstag, 14. Mai beispielsweise ein großes Fairtrade-Frühstück – schien lange Zeit undenkbar. Noch vor vier Jahren drohte das Gebäude komplett zu verfallen. Wasser drang ein, das Dach war marode, die Veranda baufällig. Doch im Herbst 2014 begann die Renovierung. Im Juli vorigen Jahres wurde der Tanzsaal wiedereröffnet.

Errichten ließ die Halle einst der Fürstbischof des Erzbistums Breslau Georg Kardinal von Kopp an der Stelle eines abgerissenen Sägewerks. Daher rührt auch ihr Name Georgshalle. Reich verziert mit Ornamenten im Jugendstil und einem 20 Meter langen verglasten Tanzraum war das Gebäude nicht nur ein architektonisches Schmuckstück. Es war auch technisch auf dem Stand der Zeit. Es gab Strom und einen Aufzug, mit dem die Speisen von der Küche in den Saal befördert wurden. Zunächst diente der Bau als Restaurant, Ballsaal und Gästehaus. Im Jahr 1954 konfiszierte ihn der Staat und setzte den Tanzveranstaltungen damit ein Ende. Fortan traf sich die sozialistische Jugend­organisation Pionýr in den Räumen. Das Gebäude wurde jedoch vernachlässigt, sodass es allmählich verfiel. In den neunziger Jahren eroberte der Wald das Grundstück zurück, das Sträucher und Gestrüpp zunehmend überwucherten. Erste Initiativen zur Erhaltung des Tanzsaals entstanden, allerdings fehlte das Geld. Im Jahr 2007 erwarb die Gemeinde Bernartice das Gebäude. Mithilfe von Benefizkonzerten und Fördergeldern konnte sie schließlich die nötigen Mittel aufbringen.

An die Entstehungszeit des Lokals erinnert heute wieder die geschnitzte Inschrift „Georgshalle“ über dem Eingang. Für Wanderer, Rad- und Skifahrer ist es wie früher ein wichtiger Ausgangs- und Zielpunkt.

Das Lokal ist sonntags bis donnerstags von 10 bis 18 Uhr und freitags und samstags von 10 bis 20 Uhr geöffnet. www.tancirna.rychleby.cz