Klassik statt Autos

Klassik statt Autos

Die Arbeiten an „Blanka“ ziehen sich weiter in die Länge. Derweil plant ein Kulturaktivist ein Konzert am Eingang des Tunnels

17. 6. 2015 - Text: Stefan Welzel

Ondřej Kobza ist eine gewitzte und umtriebige Persönlichkeit der Prager Kulturszene. Der 35-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem öffentlichen Raum mehr Leben einzuhauchen. Zu seinen Ideen gehören Poesie-Automaten in Parks und Klaviere in den Straßen und öffentlichen Gebäuden der Hauptstadt, auf denen jeder nach Belieben musizieren kann. Nun plant Kobza einen neuen Coup. Am 20. August soll in der Einfahrt des unfertigen Tunnels Blanka auf dem Letná-Hügel ein klassisches Konzert stattfinden. Der stellvertretende Oberbürgermeister Petr Dolínek (ČSSD) begrüßte das Vorhaben am Dienstag und gab im Namen der Stadtverwaltung grünes Licht.

Dass eine solche Veranstaltung im Sommer 2015 überhaupt noch möglich ist, liegt daran, dass sich die Eröffnung des Stadttunnels seit Jahren verzögert. Zuletzt gab es Probleme, weil bei einem Wassereinbruch zahlreiche Kabel beschädigt wurden. Zumindest diesbezüglich konnte Dolínek nun positive Neuigkeiten verkünden. Arbeiter der Firma ČKD Praha DIZ hätten damit begonnen, die beschädigten Teile auszutauschen, so der stellvertretende Oberbürgermeister.

Läuft alles nach Plan, sind die neuen, insgesamt rund 56 Kilometer langen Leitungen in rund 50 Tagen gelegt. Danach würde noch einmal eine Testphase mit allen elektronischen Anlagen beginnen, ehe der Tunnel Mitte September endgültig eröffnet werden könnte. Dies ist angesichts der langen Baugeschichte von „Blanka“ alles andere als selbstverständlich. Noch im März hielt es der zuständige Gutachter Jiří Fiala für wahrscheinlich, dass die ersten Autos erst im Spätherbst oder sogar erst im kommenden Jahr durch den Tunnel fahren können.

Über die Details der Einigung, die die Stadt mit dem Unternehmen ČKD Praha DIZ offenbar erzielt hat, äußerte sich Dolínek nicht. „Wie auch immer die Kabel ausgewechselt werden, ich hoffe, es geschieht im vorgesehenen Zeitplan. Die Stadt wird dafür aber nichts mehr bezahlen“, so der Sozialdemokrat. Dolínek sieht den „sehr unprofessionellen“ Kabel-Installateur in der Pflicht, den Missstand zu beheben. Prag steht darüber hinaus mit dem Straßenbau­unternehmen IDS vor Gericht. Es geht um 300 Millionen Kronen (rund 11 Millionen Euro), die die Stadt der Firma angeblich noch schuldet. Ein Urteil des zuständigen Schiedsgerichts ist für den 31. Juli vorgesehen. Ursprünglich sollte der Blanka-Tunnel 2011 eröffnet werden und insgesamt 21 Milliarden Kronen (circa 770 Millionen Euro) kosten. Inzwischen belaufen sich die Rechnungen auf über 37 Milliarden Kronen (1,36 Milliarden Euro).

Die juristischen und politischen Streitigkeiten rund um das Prestige­projekt interessieren Ondřej Kobza nicht. Er möchte einfach einen spannenden Kulturabend auf die Beine stellen. „Ich liebe die Kontraste. Und hier wird die hohe Kunst eines Orchesters in den profanen Räumen eines Autotunnels vorgeführt. Die Besucher sollen diesen Ort ganz anders erleben können, bevor er für immer dem Verkehr übergeben wird“, erklärt der Kulturaktivist. Kobza erwartet bis zu 10.000 Zuhörer. Für seine unkonventionelle Idee konnte er die Prager Kammerphilharmonie gewinnen. Welche Stücke gespielt werden, steht noch nicht fest.