Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Die Jo-Jo-Weltmeisterschaft findet zum ersten Mal außerhalb der USA statt. Dass die Teilnehmer aus 35 Ländern ausgerechnet in Prag zusammenkommen, hat seinen Grund

6. 8. 2014 - Text: Corinna AntonText und Foto: Corinna Anton

Václav Kroutil will Weltmeister werden. Bis zu sechs Stunden am Tag übt er dafür kurz vor dem Wettkampf mit seinem Jo-Jo. Was für andere ein einfaches Spielzeug ist, das Kinder ein paar Minuten beschäftigen kann, ist für den 24-Jährigen viel mehr als ein Freizeitvergnügen. Er ist mehrfacher Europameister am Jo-Jo und einer der Mitbegründer der tschechischen Szene. Die hat sich in den vergangenen 15 Jahren rasant entwickelt, nach den USA und Japan hat Tschechien die besten Jo-Jo-Künstler der Welt – sagt zumindest Jan Kordovský. Er ist Mitorganisator der Jo-Jo-Weltmeisterschaft, die an diesem Donnerstag in Prag beginnt.

Bis Samstag werden sich im Theater Archa etwa 300 Teilnehmer messen – erstmals in der Geschichte findet ein solches Ereignis außerhalb der USA statt. Die Kandidaten reisen aus 35 Ländern an, darunter Australien, Singapur, Südafrika und Kasachstan. Für manche von ihnen ist der Weg nach Prag einfacher und billiger als in die USA. Aber dass das Turnier in Tschechien stattfindet, liegt nicht nur an der Logistik, erklärt Kordovský. Die Jo-Jo-Szene hier sei stark wie in kaum einem anderen Land und könne als Inspiration dienen. Zwar gebe es in Ungarn, Italien und Polen mehr Spieler, Stars wie Kroutil können andere europäische Staaten aber nicht aufweisen. Seit Februar bereitet sich der Prager auf die Weltmeisterschaft vor. Die Organisatoren glauben, dass etwa zehn der mehr als 30 tschechischen Teilnehmer gute Chancen haben, auf den vorderen Plätzen zu landen. Doch der mehrfache Europameister meint vorsichtig: „Die Konkurrenz ist sehr groß, das Niveau ist eine Stufe höher als bei europäischen Wettkämpfen“.

Drei Monate für einen Trick
Zum Jo-Jo kam Kroutil 2002 durch seinen älteren Bruder. „Ich war auf der Suche nach etwas Originellem, was niemand kannte.“ Er wollte das Jo-Jo nicht nur auf und ab schwingen lassen und schaute sich im Internet an, wie Amerikaner und Japaner damit umgingen. Damals begann die moderne tschechische Jo-Jo-Szene gerade erst zu entstehen. „Am Anfang habe ich manchmal drei Monate gebraucht, um einen komplizierten Trick zu lernen. Heute können einige Kinder das in einer Woche“, beschreibt Kroutil die Entwicklung. „Man kann heute in Tschechien zu Jo-Jo-Kursen gehen wie zum Klavierunterricht.“

Um die Jahrtausendwende trafen sich ein paar Spieler erstmals regelmäßig und gründeten die Internetseite yoyo.cz, auf der sie Tricks und Tipps austauschten. Aus einer Handvoll Begeisterter wurden immer mehr, bis 2006 eine offizielle Jo-Jo-Vereinigung entstand – geschrieben im Tschechischen übrigens mit „y“, weil der moderne Jo-Jo-Sport nach Ansicht seiner Anhänger nicht mehr viel mit dem bekannten „Jo-Jo“ gemein hat. Die Jo-Jo-Künstler wurden immer professioneller, Kroutil war einer der ersten, die ausländische Sponsoren fanden. Trotzdem spielten die tschechischen Jo-Jo-Begeisterten bis heute, weil es ihnen Spaß mache, und nicht um Geld zu verdienen, betont WM-Organisator Kordovský. Darin sieht er einen Grund, weshalb das moderne Jo-Jo hierzulande so beliebt ist. „Aber das ist nur eine von mehreren Theorien. Wir wissen es selbst nicht genau.“

Eine andere Erklärung ist dem 25-Jährigen zufolge der relativ günstige Preis: „Die Leute im Westen können mehr Geld für teure Hobbys ausgeben. Das Jo-Jo ist nicht so billig, dass es überall gespielt wird, es liegt in der Mitte.“ Konkret heißt das: Bis zu 3.000 Kronen kostet ein Jo-Jo, mit dem man es bis an die Weltspitze schaffen kann. Das derzeit teuerste auf dem tschechischen Markt stamme aus Japan, wiege 59 bis 69 Gramm und sei mit einer Präzisionsmaschine gefertigt worden, so Kordovský.

Drei Minuten auf der Bühne
Vom Spielprinzip unterscheiden sich die Jo-Jos der WM-Teilnehmer zwar nicht, im Detail aber finden sich viele Variationen in Farbe, Form und Material. Václav Kroutil setzt auf ein türkisfarbenes Exemplar. Mühelos jongliert er das Jo-Jo von links nach rechts und oben nach unten, mal balanciert er es vor dem Körper, mal schwingt er es um den Hals, dann lässt er es in der Luft schweben, die Schnur zu kunstvollen Mustern verwoben. „Es gibt 50 bis 100 Standard-Tricks, die man am Anfang lernt, dann beginnt man, sich selbst neue Techniken und Kombinationen auszudenken“, erklärt der Wirtschaftsstudent, der nebenbei einen der beiden Prager Jo-Jo-Läden betreibt, den zweiten führt Kordovský. Wie viele Tricks Kroutil beherrscht, kann er nicht zählen. „Ich erfinde immer wieder neue, aber manche vergesse ich auch.“

Sein Programm für die Weltmeisterschaft dagegen steht, seit Wochen trainiert er die Abläufe. Denn der kleinste Fehler kann das Aus bedeuten, weiß der mehrfache Preisträger. Wer die Bühne betritt, muss beim Wettbewerb drei Minuten lang zeigen, was er kann. Einschränkungen gibt es kaum, ein Pflichtprogramm muss nicht absolviert werden. Welche Tricks sie vorführen, bleibt den Spielern überlassen. Auch die passende Musik für ihren Auftritt wählen sie selbst. Die Jury bewertet anschließend sowohl die technische Ausführung als auch die künstlerische Gestaltung. Unterschiedliche Altersklassen gibt es dabei nicht, als jüngster Teilnehmer wird ein Achtjähriger erwartet, der älteste aktive Jo-Jo-Spieler der WM wird 47 sein.

Die Weltmeisterschaft findet von 7. bis 9. August jeweils von 11 bis 19 Uhr im Theater Archa (Na Poříčí 26, Prag 1) statt. Nach der Qualifikationsrunde am Donnerstag geht es am Freitag und Samstag in acht Kategorien um den WM-Titel. Die Veranstalter rechnen mit 800 bis 1.000 Zuschauern pro Tag. Eine Tageskarte kostet 150 Kronen, drei Tage 300 Kronen.