Im Geist des Japonismus

Im Geist des Japonismus

Die Neuinszenierung von Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ in der Staatsoper verharrt in Routine – aber das auf hohem Niveau

17. 2. 2016 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: H. Smejkalová/ND

Cio-Cio-Sans Sohn trägt einen Anzug ganz in Weiß. Elegant und stolz sitzt er am Bühnenrand und schaut entspannt dem Treiben zu. Giacomo Puccini ließ die Rolle des Kindes in „Madama Butterfly“ stumm, sie war reine Staffage und erst ab dem zweiten Akt zu sehen. Regisseur Jiří Heřman nutzt die Figur schon zu Beginn seiner Inszenierung in der Prager Staatsoper als Vorzeichen, das die drohende Katastrophe andeutet. Das Irritierende dabei: Der Dreijährige wird nicht etwa von einem Kinderschauspieler gemimt, sondern von Ondřej Biravský, einem 27-jährigen Mann. Dieses Stilmittel ist das einzige entfremdende Element in Heřmans Neuauflage des Stücks, das schon in den vergangenen Jahren auf dem Spielplan stand. Ansonsten bleibt der Regisseur einem streng klassischen Inszenierungs­modus treu.

Dass Opernklassiker auch in Prag nicht immer möglichst original­getreu umgesetzt werden, bewies Enikő Eszenyi mit einer für hiesige Verhältnisse erfrischend modernen Variante von Gioachino Rossinis „Aschenputtel“ im Stände­theater. Vom Mut der 55-jährigen Ungarin hätte sich Heřman durchaus etwas abschauen dürfen. Das gilt nicht nur für die dramaturgische Umsetzung, sondern auch für das Bühnenbild, das er zusammen mit Jan Lukášek entwarf.

Cio-Cio-San mit Gefolge und US-Konsul Sharpless

In Anlehnung an die Leichtbauweise japanischer Architektur begrenzt Heřman den Raum auf der linken Seite mit einer großen Schiebewand, bestehend aus einem mit hellem Tuch überzogenen Holzgerüst. Am hinteren Ende zieren lange Stoffbalken die Bühne, die mal wie Säulen wirken, ein andermal als Vorhänge dienen, unter denen Geisha-Tänzerinnen hervorkrabbeln.

Eine dünne Stoffwand ersetzt dieses Arrangement immer wieder, um dahinter eine Rampe sichtbar zu machen, auf der sich die Protagonisten einem pantomimischen Schattenspiel hingeben. In der Mitte bilden Sitzelemente eine Lounge, daneben steht ein Glaskasten, der abwechselnd als Bad, Gartenteich oder Ozean herhält.

Das alles ist gefällig, manchmal kann es sogar ein wenig verzaubern und den Zuschauer für einen Moment gedanklich ins Land der aufgehenden Sonne um das Jahr 1900 entführen. Wirklich spannend ist es aber nicht. Dasselbe gilt für die Geschichte, die schon zur Zeit ihrer Erstaufführung 1904 in der Mailänder Scala auf Kritik stieß. Puccini verarbeitete ein rührseliges Drama des amerikanischen Autors David Belasco zu einem Zweiakter.

Die Geschichte der aus verarmtem Adel stammenden Cio-Cio-San, die mit dem amerikanischen Marine-Leutnant Benjamin Franklin Pinkerton verheiratet wird, fiel bei Publikum wie Fachleuten zunächst durch. Erst die Umwandlung in einen Dreiakter und die Kürzung um einige hunderte Takte brachte die nötige Dichte in die schon damals als zu langatmig und kitschig empfundene Geschichte. An deren Ende steht eine verlassene japanische Ehefrau, die an ihrer unerfüllten Liebe verzweifelt und Selbstmord begeht. Etwas muss man Heřman lassen: Der dramatische Schluss gelingt ihm, die Aufführung steigert sich überhaupt gegen Ende hin.

Für die Premiere in der vergangenen Woche konnte die Oper die italienische Starsopranistin Donata D’Annunzio Lombardi gewinnen. Ihr Gesang, besonders ihr Blumen-Duett im zweiten Akt mit Cio-Cio-Sans Dienerin Suzuki (Štěpánka Pučálková) ist überwältigend und erhielt vom Publikum ausgiebigen Applaus. Daneben fiel Lombardis Landsmann Luciano Mastro in der Tenor-Rolle des Pinkerton etwas ab. Svatopluk Sem (Bass) als amerikanischer Konsul Sharpless überzeugte weit mehr. Leider bleibt Lombardis Gastspiel vorerst ein einmaliges Erlebnis, in Zukunft werden abwechselnd Maria Kobielska und Christina Vasileva in die Rolle Cio-Cio-Sans schlüpfen.

Heřman schafft es zweifellos, den Zeitgeist der Epoche einzufangen, in der das Stück entstand. Die damalige Faszination für die fernöstliche Kultur, die sich in verschiedenen Kunstformen als europäischer Japonismus niederschlug, ist sehr präsent. Das wertet manch ein konservativer Opernfan als Kompliment. Wer sich lieber mal überraschen lassen möchte, stört sich daran.

Madama Butterfly. Státní opera Praha, nächste Aufführungen: 27. Februar und 13. März, 19 Uhr, Eintritt 290–1.290 CZK