Haus ohne Hüter

Haus ohne Hüter

Seit zehn Jahren sucht die Stadtverwaltung nach einem Mieter für die Werich-Villa. Ein Ende ist nicht in Sicht

12. 3. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: Michal Kmínek

Sie ist ein Schandfleck auf der Kleinseite. Die Werich-Villa, auf der Kampa-Insel zwischen dem Čertovka-Kanal und der Moldau gelegen, verfällt seit über 20 Jahren. Es war die gute Lage, die der klassizistischen Villa des berühmten Schauspielers und Schriftstellers Jan Werich zum Verhängnis wurde. Während des Jahrhunderthochwassers von 2002 stand in den verglasten Arkaden im Erdgeschoss das Wasser bis zur Decke. Der Garten wurde verwüstet, die Fenster beschädigt, die Statik aus dem Gleichgewicht gebracht. Zwar ließ das Rathaus des ersten Prager Bezirks die Fassade und das Dach reparieren, innen hat sich seit der Flut aber nichts verändert. Das benachbarte Kampa-Museum sollte der Werich-Villa neues Leben einhauchen.

Am Dienstag jedoch beschlossen die Vertreter von Prag 1, eine Vermietung der Villa an die Stiftung von Jan Mládek und Meda Mládková (Nadace Jana a Medy Mládkových), deren Kunstsammlung den Fundus des Museums stellt, nicht zu genehmigen. Wie der Bürgermeister des ersten Stadtbezirks Oldřich Lomecký (TOP 09) erklärte, sei der Rat mit dem bisherigen Auswahlverfahren nicht einverstanden. Er wolle nun ein Konzept für das weitere Vorgehen erarbeiten.

Zahlreiche Wendungen
Die Villa bleibt weiterhin ohne Mieter. Ein über zehn Jahre währender Streit um die Zukunft der Villa geht damit in die nächste Runde. Falls die Kommunalwahlen im Oktober nicht wieder eine unerwartete Wendung bringen. Davon gab es in der Vergangenheit genug.
2008 wurde die Stiftung der Kunstmäzenin Jana Mládkova zum ersten Mal mit der Verwaltung der Villa beauftragt. Der Vertrag mit einer Laufzeit von 40 Jahren schrieb eine Restaurierung und die Einrichtung eines Werich-Museums vor. Mládková wollte sich zudem eine Wohnung in den oberen Stockwerken einrichten.

Die Abgeordneten stellten sich gegen die Pläne. Ein neuer Vertrag entstand, diesmal wollte das Rathaus selbst für die Restaurierung aufkommen, die Mládek-Wohnung wurde gestrichen, die Stiftung sollte sich um die Überführung des Werich-Archivs aus Boston und den Museumsbetrieb kümmern. Mit den Wahlen 2010 fiel auch dieser Vertrag ins Wasser. Das Rathaus begründete die Entscheidung mit dem Wunsch nach einem transparenten Auswahlverfahren.

„Wir haben uns bemüht, den politischen Druck zu mindern, um aus der Sache kein Politikum zu machen“, sagte Bürgermeister Lomecký nach Bekanntmachen der Entscheidung des Auswahlkomitees vor rund zwei Wochen. Dieses hatte aus den drei Bewerbern das Projekt des Kampa-Museums empfohlen. Der Stiftung des Ehepaars Mládek steht Exminister Jiří Pospíšil nahe, der für die im ersten Bezirk regierende TOP 09 bei der Europawahl kandidiert.

Mangelnde Transparenz
Die Stiftung Post Bellum, die sich ebenfalls um die Verwaltung der Villa bemüht hatte, zweifelte das Auswahlverfahren an und appellierte im Vorfeld der Entscheidung am Dienstag an die Abgeordneten, das Ergebnis der Ausschreibung abzulehnen. Über mangelnde Informationen zum Verfahren beschwerten sich auch Vertreter von ODS und ČSSD.

In der Werich-Villa, einer einstigen Gerberei, deren Geschichte laut Forschungen bis ins 16. Jahrhundert zurück reicht, lebten neben dem Namensgeber auch andere berühmte Persönlichkeiten. Josef Dobrovský, Philologe und Begründer der modernen tschechischen Schriftsprache behandelte mit langen Spaziergängen durch den Park seine schwere Depression und schrieb in der Villa sein deutsch-tschechisches Wörterbuch. Gemeinsam mit Werich bewohnte auch der Dichter Vladimír Hollan das inzwischen im Stile des Klassizismus umgebaute Haus. Kurz lebte auch Werichs Weggefährte aus Theater und dem US-amerikanischem Exil Jiří Voskovec hier.

In Deutschland ist Werich vor allem als Schauspieler tschechoslowakischer Märchenfilme bekannt. In Tschechien als Autor von Kindererzählungen, gesellschaftskritischer Liedermacher und Dramatiker. Aus den USA sendete die Stimme Amerikas die Nazi-Parodien von Voskovec und Werich, die beide nach dem Einmarsch der Deutschen zum Exil gezwungen wurden, nach Europa. Werich lebte nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei von 1945 bis 1980 in der Villa.