Goldgrube und Schandfleck

Goldgrube und Schandfleck

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts musste bisher jede fünfte Herna-Bar schließen – die Betreiber wehren sich

4. 6. 2014 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: Dave Nolan

Herna. In Tschechien steht das Wort für eine finstere Kneipe, in der verlorene Gestalten viel zu viel Alkohol trinken oder viel zu lange an blinkenden Spielautomaten sitzen. Und das zu einer Zeit, da die meisten ihrer Mitmenschen schon längst schlafen oder gerade aufstehen. Herna. Das steht auch für Geld – von dem nicht nur die Betreiber, sondern dank der Glücksspielsteuer auch Städte und Gemeinden profitieren.

Manche Gemeinden begegnen diesen Herna-Bars dennoch mit Argwohn, sehen weniger die Goldgrube als vielmehr einen Schandfleck. Bis April vergangenen Jahres konnten sie kaum etwas dagegen unternehmen. Laxe Gesetze hatten dazu geführt, dass es nirgends in Europa – gemessen an der Einwohnerzahl – mehr Spielautomaten gibt als in Tschechien.

Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts in Brünn hat sich das Blatt gewendet, denn nun können die Kommunen entscheiden, ob sie die Herna-Bars tolerieren.

Wie sieht es also heute, ein Jahr nach dem Richterspruch, aus? Das Finanzministerium hat seitdem auf Antrag der Gemeinden etwa 1.500 Lizenzen entzogen – das heißt, dass jede fünfte Herna-Bar ihren Betrieb einstellen musste und über 10.000 Spielautomaten aus dem Verkehr gezogen wurden.

Die meisten Gemeinden sprechen sich bisher für eine Reduzierung und nicht für ein generelles Verbot der umstrittenen Spiellokale aus. Die Bürger sehen das anders. Vor kurzem sollten die Anwohner der Prager Stadtbezirke 7 (Holešovice, Bubeneč) und 8 (Střížkov, Bohnice, Kobylisy, Karlín, Libeň) in einem Referendum darüber entscheiden: Über zwei Drittel stimmten für ein Verbot. Da das notwendige Quorum jedoch verpasst wurde, bleibt dort vorerst alles beim Alten. In anderen Stadtbezirken werden die Volksabstimmungen gemeinsam mit den Kommunalwahlen im Herbst stattfinden.

Gesetzeslücke „Kasino“
In der Kreisstadt Pardubice ist man bereits einen Schritt weiter. Mitte Mai wurde festgelegt, dass sich in der Nähe von Schulen keine Herna-Bars befinden dürfen. Von dieser Regelung sind allerdings nur sieben von insgesamt 89 Einrichtungen betroffen. „Ein absolutes Verbot bringt überhaupt nichts“, meint der stellvertretende Oberbürgermeister František Brendl, der den Antrag vorgelegt hatte.

Eine andere Meinung vertreten die Bürgermeister der Gemeinden, die den radikalen Schnitt gewagt haben. Wie aus einer Umfrage der Nachrichtenagentur ČTK hervorgeht, sei dort nicht nur die Zahl der Beschwerden über nächtliche Ruhestörung stark zurückgegangen, ein Herna-Verbot habe sich auch als eine wirksame Maßnahme im Kampf gegen Drogenkriminalität erwiesen.

In Vysoké Mýto haben die meisten Herna-Bars bereits geschlossen, Ende dieses Jahres soll die letzte in der ostböhmischen Kleinstadt verschwunden sein. „Aus einigen Spiellokalen sind inzwischen Restaurants und Bars geworden, Probleme mit Drogen und Kriminellen haben wir dort teilweise gar nicht mehr“, meint Bürgermeister Miloslav Soušek.

Ein generelles Verbot kann aber auch Probleme mit sich bringen, weiß dessen Amtskollege Jan Macháček aus Proseč (Bezirk Chrudim). „Ich kenne ein paar Beispiele, bei denen Familien in eine wirklich schwierige Situation geraten sind, weil die Väter spielsüchtig waren. Ohne unsere Hilfe hätten sie alles verloren“, sagt  Macháček. Seiner Ansicht nach würden die Betreiber der Herna-Bars nur an ihren eigenen Gewinn denken.

Um einer Regulierung durch die Gemeinden zu entgehen, werden derzeit immer mehr Herna-Bars zu Spielkasinos umgewandelt, die vom Urteil des Verfassungsgerichts unberührt bleiben. Die Betreiber nutzen dabei eine Gesetzeslücke aus: In den Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Glücksspielen ist der Begriff „Kasino“ nicht eindeutig definiert.

Das Finanzministerium setzt sich bereits mit diesem Problem auseinander und arbeitet an einer Gesetzesänderung. „Es wird vor allem darauf geachtet, dass die Bedingungen für das Betreiben von Spielbanken internationalen Standards entsprechen“, sagte Ministeriumssprecher Michal Žurovec.