Gemeinwohl auf Zeit

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Die Bürgerinitiative „Klinika“ darf die ehemalige Poliklinik in Žižkov nutzen

11. 3. 2015 - Text: Franziska NeudertText und Foto: Franziska Neudert

Die Bürgerinitiative „Klinika“ darf aus der Poliklinik im Stadtteil Žižkov ein unabhängiges Sozialzentrum machen. Sie hat die Ausschreibung um die Nutzung des ehemaligen Ärztehauses gewonnen. Am Freitag voriger Woche nahmen Vertreter der Initiative die Schlüssel für das leer stehende Gebäude entgegen. Innerhalb von zwei Monaten wollen die Aktivisten in dem Bau in der Jesenius-Straße ihr autonomes Sozialzentrum einrichten. „Wir wollen so schnell wie möglich einziehen, derzeit sammeln wir Material für die Einrichtung und arbeiten mit Freiwilligen am Umbau“, so „Klinika“-Mitglied Aleš Bezduš gegenüber der „Prager Zeitung“.

In der Begegnungsstätte sollen Workshops, Konzerte und Filmabende stattfinden. Außerdem plant die Initiative, eine Kantine, eine Fahrradselbsthilfe­werkstatt und eine Bibliothek in dem seit fünf Jahren ungenutzten Gebäude einzurichten. Die Gelder für den Aufbau und Unterhalt des Sozialzentrums will die Initiative vollständig selbst aufbringen. „Wir wollen das Zentrum allein durch Spenden und den Eigenbetrieb finanzieren, nicht mit öffentlichen Geldern“, sagt Bezduš. Bisher habe „Klinika“ mehr als 100.000 Kronen (rund 3.600 Euro) gesammelt, schreibt die Initiative auf ihrer Homepage.

Bereits im November vergangenen Jahres hatte die Bürgerinitiative mit Demonstrationen und der Besetzung der einstigen Poliklinik darauf aufmerksam gemacht, dass das Gebäude für das Gemeinwohl genutzt werden könnte. Zuvor hatten Obdachlose und Drogenabhängige dort Unterschlupf gesucht, was für Unbehagen bei vielen Anwohnern sorgte.

Zuletzt hatte die Initiative am 24. Januar 2015 zum „Tag der Klinik“ aufgerufen, um sich mit kulturellen Veranstaltungen für das Sozialzentrum starkzumachen und über das Thema Squatting öffentlich zu diskutieren. Wie Bezduš sagt, engagiere sich die Initiative für die Entkriminalisierung des Hausbesetzens. „Wir arbeiten gerade mit unserem Anwalt an einem Entwurf, wie Squatting von seinem Ruf als kriminelle Handlung befreit werden kann und an Richtlinien, wie die Polizei in diesen Fällen vorgehen sollte“, so Bezduš.

Das Amt für die Vertretung des Staates in Eigentumsfragen (ÚZSVM), das das Gebäude verwaltet, hatte Anfang Februar einen Wettbewerb um dessen mietfreie Nutzung ausgeschrieben. Nachdem von den insgesamt drei Bewerbern zwei ausgeschieden waren, erhielt „Klinika“ die vorübergehenden Nutzungsrechte. Die Initiative darf das Gebäude allerdings nur verwenden, bis es die Generalinspektion der Sicherheitskräfte (GIBS) übernimmt. Diese beabsichtigt, es zu renovieren und dann für eigene Zwecke zu gebrauchen. Wann das passiert, sei noch unklar, meint Bezduš. „Man hat uns gesagt, so früh wie möglich, also im nächsten Jahr. Aber meist dauert es ja doch ein bisschen länger. Zumindest hoffen wir das.“