Frischer Wind in Smíchov

 

Der Stadtteil Smíchov genießt unter Pragern nicht den allerbesten Ruf. Abgesehen vom Einkaufszentrum Nový Smíchov und dem Kinokomplex Anděl gibt es, sofern man nicht dort wohnt, wenig Gründe für abendliche Besuche in der Gegend. Ein heruntergekommener Busbahnhof, zwielichtige Gaststätten, die mit Bedienung „oben ohne“ werben, Verkehrslärm von den nahen Auto­bahnzubringern – kulturelles Ödland könnte man denken.
Flüchtig betrachtet fügt sich das Gebäude mit dem bröckelnden Putz nahe der großen Verkehrsachse Radlická gut in diese eher triste Umgebung ein. Erst beim Umgehen fällt auf, dass hier etwas anders ist. Die Rückseite des Hauses wurde aufwendig mit Farbe und grafischen Mustern verziert. Im Hinterhof wird an den pinken Rädern der Bikesharing-Initiative „Rekola“ geschraubt und der Eingangskorridor beherbergt eine kleine Bibliothek.

Drinnen wartet Jakub, einer der Gründer der „Radlická kulturní sportovna“; eine etwas sperrige, vielseitig interpretierbare Bezeichnung, die sich in etwa mit „kulturelles Sportzentrum“ übersetzen lässt. Genauso offen sind die Macher des Projekts, was die Nutzung der alten Lagerhalle angeht. Von Mountainbike-Events und Kampfsport-Training über Theaterproben bis hin zu Recycling-Workshops – in den Räumlichkeiten ist so ziemlich alles möglich.

Auf das Gebäude aufmerksam wurde Jakubs Freund Lukáš, der in der Nähe wohnt. Die Vision, in Smíchov einen Raum für Sport und Kultur zu schaffen, hatten die beiden bereits länger im Kopf, und sie wurde auch nicht verworfen, als sie sich zu einer ersten Besichtigung der Halle aufmachten. Sie fanden tonnenweise Müll, der sich über die Jahre der Nutzung durch Obdachlose und Drogenabhängige angesammelt hatte. Der Besitzer, ein Bauunternehmen, stimmte der temporären Vermietung an die beiden Freunde zu, und im Mai 2013 begann das große Entrümpeln. „Eigentlich sind wir beide richtige Bürohengste“, lacht Jakub, der hauptberuflich für ein Pharmaunternehmen arbeitet. Zwei weitere Freunde schlossen sich dem Team an, David, der den Raum zunächst nur als DJ bespielen wollte, dann aber auch vom Aus- und Umbaufieber gepackt wurde, und Kateřina, die Lukáš kurz zuvor in einem Club kennengelernt hatte.

Stolz zeigt Jakub die Bar, die aus Teilen des Dachstuhls eines Nebengebäudes gezimmert wurde. „Wir mussten nicht besonders viel in Material investieren.“ Die Innenausstattung erinnert an eine typische Berliner Alternativ-Szenebar. Allein die dringend benötigten Sanitär­anlagen konnten die vier Freunde nicht aus eigener Tasche finanzieren, wussten sich aber auch hier zu helfen. Von Anfang an betrieben sie gezielt Marketing für ihr Projekt und generierten schnell Aufmerksamkeit in den sozialen Medien. Diese konnten sie auch auf ihre Crowdfunding-Initiative auf der Internetseite „HitHit“ lenken, eine Plattform, auf der Privatpersonen kreative Projekte finanziell unterstützen können. Dadurch kamen fast 270.000 Kronen (etwa 10.000 Euro) für den Anbau von Containern mit Duschen und Toiletten zusammen.

Derzeit dominiert der kulturelle Aspekt die Nutzung der Halle – sechs tschechische Künstler stellen ihre Malerei aus. Der Raum bleibt jedoch wandelbar. Es gibt keine festen Konstruktionen, die ihn teilen. Die Flächen, auf denen die Leinwände der Kunstwerke befestigt sind, können in kurzer Zeit demontiert werden und Platz für andere Aktivitäten machen. Geplant sind in naher Zukunft unter anderem Konzerte, ein Food-Festival sowie ein Design-Markt. Informationen zu den Veranstaltungen finden sich auf der hauseigenen Facebook-Seite.

Die Zukunft der Einrichtung ist bislang genauso offen wie deren Nutzungsmöglichkeiten. Konkrete Bebauungspläne für das Areal gibt es noch nicht, allerdings rechnen Jakub und sein Team damit, dass sich das jederzeit ändern kann. Mit einem – in jedem Fall lohnenswerten – Ausflug in Richtung Smíchov sollte man also nicht allzu lange warten.

Radlická – kulturní sportovna. Za Ženskými domovy 125/5, Prag 5, Öffnungszeiten variieren je nach Veranstaltung, www.facebook.com/radlicka