„Flutkatastrophen sind für alle lehrreich“

„Flutkatastrophen sind für alle lehrreich“

Klimatologe Jan Daňhelka plädiert für effektive Vorbereitungen auf die nächste Flut. Denn sie wird kommen, das steht fest

20. 11. 2013 - Interview: Martin Nejezchleba

Übers Wetter reden ist Jan Daňhelkas Beruf. Er ist stellvertretender Leiter des Tschechischen Hydrometeorologischen Instituts (ČHMU). Sein Spezialgebiet: Wasser. Im Gespräch mit PZ-Redakteur Martin Nejezchleba warnt er ein halbes Jahr nach der Flutkatastrophe vor dem Vergessen.

Herr Daňhelka, wann wird Tschechien Ihrer Meinung nach vom nächsten Hochwasser heimgesucht?

Jan Daňhelka: Hochwassersaison ist in unseren Breitengraden der Frühling, während der Schneeschmelze. Das nächste Hochwasser wird spätestens im März kommen. Die Frage ist natürlich immer, wie groß und wie flächendeckend es ausfallen wird. Vermutungen darüber anzustellen, ist aber sinnlos. Das kann keiner voraussagen. Wichtig ist es, die Zeit bis zur nächsten Flut so effektiv wie möglich zu nutzen. Egal wie lange sie sein wird.

Und wie könnte das aussehen? Was muss getan werden, damit die nächste Flut nicht wieder Eigentum und Menschenleben gefährdet?

Daňhelka: Eine einfache Lösung gibt es nicht. Hochwasserschutz ist ein komplexes Problem. Da müssen die Gesetzgebung, natürliche Maßnahmen, organisatorische und technische Dinge ineinander greifen. Das alles muss ausgewogen sein, schon alleine deshalb, weil jede Flut anders ist. Bei Flutwellen sind sowohl die richtige Bodennutzung als auch das Frühwarnsystem entscheidend. Bei Hochwasser mit breiten Überschwemmungen ist es nötig, dem Wasser Raum zu geben. Überschwemmungsgebiete dürfen nicht verbaut werden und es müssen technische Lösungen wie Rückhaltebecken und mobile Dämme eingesetzt werden. Bei jedem Hochwasser ist es wirklich wichtig, dass wir eingehend vorbereitet sind: funktionierende Hochwasser-Pläne, Frühwarnsysteme, Rettungssysteme.

Müssen wir denn in Zukunft mit einer Zunahme von Hochwasserkatastrophen rechnen?

Daňhelka: Es ist zumindest ersichtlich, dass wir uns im Vergleich zum recht ruhigen 20. Jahrhundert in einer unruhigeren Situation befinden, was die Hochwasserlage anbelangt – vergleichbar etwa mit dem 19. Jahrhundert. Bei extremen Fluten ist es aber sehr schwer zu analysieren, ob es eine dauerhafte Entwicklung gibt. Deshalb können wir auch nicht verlässlich darauf antworten, ob in Zukunft die Frequenz von Hochwassern zunimmt. Simulationen, die wir angestellt haben, haben keine Anzeichen für einen solchen Trend ergeben. Wichtig ist aber die Tatsache, dass es keinen Grund gibt zu denken, dass es in Zukunft weniger Hochwasser geben wird – und dass wir nicht effektiv auf die gegenwärtigen Fluten vorbereitet sind. Es gibt also weiter viel zu verbessern, ungeachtet der zukünftigen Entwicklung.

Was konnten Politiker und Verantwortliche aus dem Hochwasser 2013 lernen?

Daňhelka: Hochwasser sind eine Lehre für alle, die mit ihnen in Berührung kommen. Ich denke nicht, dass wir uns da nur auf Politiker und andere Entscheidungsträger beschränken sollten. Außerdem ist die Regierung noch immer dabei, das Hochwasser auszuwerten. Endgültige Empfehlungen und Maßnahmenvorschläge sollen erst im Juni 2014 vorgestellt werden.

Hat die Gesellschaft die Lektion verstanden?

Daňhelka: Das wird sich noch zeigen. Ich denke aber, dass unsere Lehren aus den Hochwassern von 1997 und 2002 zu verbesserten Reaktionen in diesem Jahr geführt haben. Ich wäre auf jeden Fall glücklich, wenn wir uns die Hochwassergefahr und die Sicherheit bei Naturkatastrophen als gesellschaftliche Prioritäten bewahren.