Fleisch, leb wohl!

Fleisch,  leb wohl!

Während im Vorort Roztoky schon am vergangenen Samstag der Höhepunkt der Karnevalssaison gefeiert wurde, steht der wohl bekannteste Prager Faschingsumzug im Stadtteil Žižkov noch bevor

19. 2. 2014 - Text: Corinna AntonText und Foto: Corinna Anton

Marie Trefná wird fasten. Von Aschermittwoch bis Ostern will sie auf Fleisch verzichten. Damit ist sie eine von wenigen Tschechen, die „masopust“ wörtlich nehmen. Denn ähnlich wie Karneval bezeichnet auch das tschechische Wort den „Abschied vom Fleisch“, das letzte große Vergnügen, bevor am Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt. „Heute sind wir noch einmal richtig fröhlich“, sagt Trefná und bietet einen Krapfen an. Als Verkaufsstand dient ein alter Kinderwagen, den Marie gemeinsam mit ihrer Tochter Terezie im Hof des Schlösschens von Roztoky platziert hat. Der 8.000 Einwohner große Ort liegt unmittelbar nördlich der Prager Stadtgrenze. Sein Faschingsumzug ist aber auch in der Hauptstadt bekannt, von wo schon am Samstagvormittag Besucher anreisen: Prinzessinnen und Ritter sind unter den Fahrgästen, ein junges Paar in ländlicher Tracht und ältere Damen mit Blumen oder Schleifen im Haar.

Trefná trägt einen lilafarbenen Hut und wartet auf die Gäste. Mit Terezie hat sie am Vortag fünf Stunden lang gebacken. Neben süßen Krapfen gibt es auch deftiges Faschingsgebäck, das mit Kraut und Speck gefüllt ist. Marie Trefná macht das schon seit 17 Jahren, „um die Tradition zu pflegen und den Verein zu unterstützen“. Der Verein nennt sich Roztoč und kümmert sich seit 1997 um das kulturelle Leben in Roztoky. Der Karneval ist eine der Hauptattraktionen und ein Versuch, volkstümliche Feste wiederzubeleben.

Wie weit die Faschingstradition in Roztoky zurückreicht, kann die Vereinsvorsitzende Jitka Tichá nicht genau sagen. Sie hat aber Hinweise darauf gefunden, dass es im 19. Jahrhundert schon einen Umzug mit Pferden gab. Pferde sind mittlerweile nur noch als Masken beim Umzug vertreten. Eine von ihnen trägt Stanislav Starý, der vor Kurzem nach Roztoky gezogen ist. Worum es beim Karneval in Roztoky eigentlich geht und weshalb man von „masopust“ spricht, weiß er nicht so genau. Aber sein Sohn wollte sich als Ritter verkleiden, „da brauchte er natürlich ein Pferd“, erzählt Starý.

Feiern bis Mitternacht
Ganz unterschiedliche Vorstellungen von Karneval haben Jozefina und ihre Freundinnen. Jozefina kommt aus Roztoky, die anderen aus Prag und Pardubice, sowie aus Ungarn und Portugal: „Viel Spaß und ein großes Zusammentreffen mit vielen Leuten“ – auf diese Definition können sich alle einigen. Beim Umzug tragen die jungen Mädchen eine besondere Verantwortung: Als „Besenweiber“ gehen sie ganz vorne, um der Königin mit ihrem Gefolge den Weg zu ebnen.

Die Majestät wird erst kurz bevor der Umzug beginnt gekrönt. Dazu wird das Volk der Zuschauer in die Hofetikette eingeführt: „Sláva!“, soll es rufen, das heißt „hoch!“ und sich verbeugen, wenn die Königin vom Bürgermeister persönlich den Rathausschlüssel erhält – und damit das Recht, bis Mitternacht mit ihrem Gefolge zu feiern, durch die Straßen zu ziehen und im Übermaß zu essen und zu trinken. Die Krönung endet mit dem Ruf des Bürgermeisters: „Es lebe der Karneval“, der den Trott langsam in Bewegung setzt. Durch die Straßen von Roztoky werden die Narren und Maskenträger von Trommlern und Kapellen bekleidet, bis der Zug mit der Karnevalsgesellschaft aus dem benachbarten Únětice zusammentrifft.

In den beiden Vororten ist damit der Höhepunkt der Faschingszeit schon gut eine Woche vor dem Aschermittwoch zu Ende. In Prag dagegen steht vor allem der Karneval in Žižkov noch an. Der sei der älteste und der beste in Prag, sagt Michaela Púčiková, die im Rathaus von Žižkov arbeitet. Seit 21 Jahren organisiert der dritte Prager Stadtteil für seine Bürger ein Faschingsprogramm – um die Tradition zu pflegen, wie Púčiková erklärt. Im Kommunismus sei das nicht möglich gewesen, weil der Karneval als ein christliches Fest galt und ihn zu feiern als eine Form des Protests. Wohl auch deshalb etablierte er sich in Žižkov zu Beginn der neunziger Jahre. Heute geht es nicht mehr um Widerstand, sondern auch um ein positives Image des Viertels, so die Sprecherin: „Žižkov war nie reich, aber die Leute wussten schon immer, wie man feiert. Es ist hier nicht wie in Prag 1, wo viele Touristen hinkommen. Es ist ein Ort, wo man wohnt, sich vergnügt, in die Kneipe geht – ein Ort, an dem etwas los ist.“

Demokratischer Fasching
Karneval in Žižkov heißt vor allem, dass alle gemeinsam feiern, singen, tanzen. Einen Prinzen oder eine Königin braucht man dazu im ehemaligen Arbeiterviertel nicht. „Bei uns geht es eher demokratisch zu“, sagt Púčiková. Zwar wird die Bürgermeisterin auch hier den Rathausschlüssel übergeben, allerdings nicht an eine gekrönte Hoheit, sondern an den Anführer des Umzugs, den die Maskenträger wählen. Der Umzug am Faschingsdienstag, 4. März ist der Höhepunkt des Žižkover Karnevals. Er beginnt um 17 Uhr am Platz Náměstí Jiřího z Poděbrad, wo schon eine Stunde vorher Musik und Unterhaltungsprogramm losgehen. Der zweistündige Zug durch den Stadtteil endet um 19 Uhr vor dem Stadion von Viktoria Žižkov mit einem Konzert, bei dem unter anderem die Gruppe Vltava auftritt.

Gefeiert wird aber auch vorher schon: Am Samstag, 1. März findet auf dem Náměstí Jiřího z Poděbrad ein Kinderfasching mit Kaspar und Maskenbasteln statt, im Palác Akropolis ein Tanznachmittag mit Blasmusik, der „nicht nur für Senioren“ gedacht ist. Am Sonntag, 2. März haben alle, die tatsächlich fasten wollen, noch einmal Gelegenheit zum ausgelassenen Fleischkonsum: beim Schlachtfest von 12 bis 15 Uhr in der Kneipe „U vystřelenýho oka“ –„Zum ausgeschossenen Auge“.