Ferne Sitten
Im Kino Ponrepo laufen deutsche Skandalklassiker und Tabubrecher
13. 3. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Arthouse
Eine attraktive junge Frau zeigt ihren entblößten Rücken, für einen flüchtigen Augenblick ist ihre Brust zu sehen – das war es schon an Freizügigkeit im Schwarz-Weiß-Klassiker „Anders als du und ich“ von Veit Harlan („Jud Süß“, „Kolberg“) aus dem Jahre 1957. Und doch waren es Bilder, die zu jener Zeit als anzüglich galten. Auch wenn diese nackten Tatsachen im biederen Nachkriegsdeutschland auf Ablehnung stießen, regelrecht für Empörung sorgte vielmehr das Grundthema des Films. Harlan stellte die homoerotische Beziehung zweier jugendlicher Männer in den Vordergrund. Vor allem deswegen fielen zahlreiche Szenen der Zensur zum Opfer.
Im Retrospektiven-Kino Ponrepo laufen im Rahmen des „Internationalen Festivals des deutschen Filmerbes“ gleich mehrere ehemals kontrovers diskutierte Werke, die teilweise oder ganz verboten wurden. So sind auch skandalträchtige Dramen von Willi Forst („Die Sünderin“ von 1951) oder Hans Tintner („Cyankali“ von 1930) zu sehen. Stets wird man Zeuge kulturhistorischer Tabubrüche, die gegen den allgemeinen Moralkodex verstießen oder, wie bei Hermann Zschosche, den Staatsapparat herausforderten. In „Karla“ (1965) erzählte dieser die Geschichte einer regimekritischen Lehrerin in der DDR. Es sind kleine Zeitreisen in ferne Sitten-, Moral- und Polit-Vorstellungen, die man diese Woche im Ponrepo als soziologisch interessierter Cineast nicht verpassen darf.
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