„Es wartet viel Arbeit auf uns“

„Es wartet viel Arbeit auf uns“

Jan Čižinský stellte sich bereits 2012 gegen den Bau eines Einkaufszentrums. Nun kämpft er als Bürgermeister weiter

27. 11. 2014 - Text: Stefan Welzel

Mitte Oktober kam es im siebten Stadtbezirk zu einer kleinen Revolution. Bei den Kommunalwahlen errang die Bürgerinitiative „Praha 7 sobě“ („Prag 7 für sich selbst“) knapp 44 Prozent und 15 von 29 Sitzen. Ihre politische Schwesterbewegung „Koalice PRO 7“, die unter anderem mit Vertretern der Piratenpartei sowie der Grünen antrat, holte weitere vier Mandate. Obwohl die von Jan Čižinský (KDU-ČSL) geführte „Praha 7 sobě“ über eine absolute Mehrheit verfügt, hat sie „PRO 7“ mit ins Regierungsboot geholt. Mit PZ-Redakteur Stefan Welzel sprach Čižinský über seine Ziele, das schlechte Verkehrssystem und den Kampf gegen überdimensionierte Einkaufszentren.

Ihre Politbewegung „Praha 7 sobě“ hat bei den Wahlen einen wahren Erdrutschsieg gefeiert. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Jan Čižinský: Alles begann mit dem Kampf gegen ein großes Einkaufszentrum nahe dem Stromovka-Park. Es sollte auf einem Grundstück entstehen, das früher einmal dem siebten Stadtbezirk gehörte. Und eigentlich wäre dies auch der einzige gute Standort für den Bau des neuen Rathauses gewesen. Der ehemalige Bürgermeister von Prag 7 lancierte den Rathaus-Bau zusammen mit der Errichtung der riesigen Shoppingmall – und dies zu einem völlig überhöhten Preis. Daraufhin stieß ich eine Initiative an, die ein Referendum auf den Weg brachte. Die Kosten für das neue Rathaus sollten 500 Millionen Kronen nicht übersteigen. Der Bürgermeister kämpfte auf juristischem Wege gegen das Referendum an – ohne Erfolg. Den Urnengang haben wir dann im Januar 2013 gewonnen, der Grundstein für unsere Wahlkampagne war gelegt.

Und an den Erfolg des damaligen Referendums und deren Initiatoren haben sich die Wähler anderthalb Jahre später erinnert…

Čižinský: Ja, vor allem mich, da ich das Referendum organisiert hatte, und Hana Třeštíková, die 2012 den Dokumentarfilm „Šmejdi“ produzierte. Darin werden die unlauteren Geschäftspraktiken bei Kaffeefahrten angeprangert. Der Film schlug so hohe Wellen im ganzen Land, dass die entsprechenden Gesetze danach sogar geändert wurden.

Wie sah der Wahlkampf konkret aus?

Čižinský: Wir haben den Leuten klar gemacht, was sie mit uns und unserem Referendum an Steuergeldern gespart haben. Das hat gewirkt.

Sie selbst sind nach wie vor Mitglied der KDU-ČSL. Wie kam es zur Gründung dieser neuen Bewegung „Praha 7 sobě“? Kann man auch von politischem Kalkül sprechen, da etablierte Parteien in Tschechien immer unbeliebter werden?

Čižinský: Das hat nichts damit zu tun. Es geht einfach um das Referendum, das ein Ergebnis vieler engagierter Bürger war. Diese Gruppe war politisch so heterogen, dass es schwierig gewesen wäre, unsere Kandidaten für eine bestimmte Partei zu erwärmen. So lag es nahe, eine lokale politische Bewegung zu gründen, die nur so und ausschließlich in Holešovice funktioniert. Wir mussten das Team zusammenzuhalten.

Warum sind Sie eigentlich eine Koalition eingegangen, obwohl Sie über die absolute Mehrheit verfügen?

Čižinský: Die Vertreter von „Koalice PRO 7“ haben vor zwei Jahren das Referendum mit uns gemeinsam organisiert. Und wir haben immer gesagt, dass wir bei einem Wahlsieg mit unseren damaligen Partnern zusammenarbeiten wollen.

Damals schweißte Sie der Kampf gegen ein überteuertes Rathaus und ein überdimensioniertes Einkaufszentrum zusammen. Nun geht es beim Regieren aber darum, aktiv Politik zu betreiben. Welche sind ihre wichtigsten Ziele? Und wofür steht Ihre Koalition?

Čižinský: Konkret wollen wir mehr Kindergartenplätze schaffen, den Grund und Boden, auf dem das Einkaufszentrum gebaut werden soll, wollen wir zurück in Gemeindebesitz bringen. Außerdem wollen wir die Stadtplanung sorgsam angehen. In den nächsten Jahren wird sich das Gesicht des Viertels stark verändern, weil viele Brachflächen neu gestaltet werden müssen. Dabei soll sich der typische Charakter des Viertels nicht allzu stark verändern. Grundsätzlich stehen wir für mehr Transparenz, bessere Kommunikation und Investitionen in Infrastruktur und Kultur.

Auch der zunehmende Verkehr ist ein Problem. Stichwort Blanka-Tunnel …

Čižinský: Nun, bis zur Eröffnung dauert es ja noch bis nächsten Frühling. Dadurch dürfte sich zumindest die Situation im oberen Teil von Prag 7, also auf der Letná-Ebene, verbessern. Im unteren Teil mit den Hauptverkehrsachsen bei Vltavská wird es aber schlimmer werden. Auf der Bubenská-Straße werden zum Beispiel nach der Blanka-Eröffnung schätzungsweise 4.000 bis 5.000 Autos pro Tag mehr verkehren. Die Veletržní-Straße soll einspurig werden. Da wartet viel Arbeit auf uns.

Und wie geht es weiter mit dem Gelände, auf dem das Einkaufszentrum entstehen sollte? Dort sieht man zur Zeit immer noch eine riesige Baugrube.

Čižinský: Wir erwarten einen langen juristischen Kampf, da ja auch Verträge und Investoren hinter dem angedachten Projekt stehen. Ich muss betonen, dass ich nicht grundsätzlich gegen ein Einkaufszentrum bin, aber die Dimension ist eindeutig zu groß. An dieser Stelle das neue Rathaus zu errichten, wäre natürlich eine gute Lösung. Zudem würde ich dort gerne ein Monument sehen, das an die dort zusammengetriebenen Prager Juden während des Zweiten Weltkrieges erinnert. Denn von hier aus wurden sie nach Theresienstadt deportiert.