Ermäßigungen geplant

Mögliche Stadtregierung aus ANO, ČSSD und Dreierkoalition legt Programmziele fest

22. 10. 2014 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: ANO

Die Parteien, die seit Januar das Land regieren, haben künftig wohl auch in der Hauptstadt das Sagen – zusammen mit den Grünen und der Bewegung STAN. Anders als nach den Parlamentswahlen bahnt sich dieses Mal eine schnelle Einigung an. Denn bereits eine Woche nach den Wahlen zum Prager Magistrat präsentierten die Vertreter von ANO, ČSSD und der Dreierkoalition (KDU-ČSL, Grüne, STAN) am Montag die wichtigsten Punkte des gemeinsamen Programms.

Über den genauen Inhalt wollte Adriana Krnáčová, Spitzenkandidatin der Bewegung ANO und mögliche künftige Oberbürgermeisterin, keine Angaben machen: „Darüber müssen nun die Vertreter der Fraktionen verhandeln. Worauf wir uns verständigt haben, will ich nicht sagen.“ Es ginge jedoch „nur noch um Details“. Auch der Sozialdemokrat und ehemalige Vizeoberbürgermeister Karel Březina gab sich bedeckt und sagte nur, „viele Reibungspunkte haben wir aus der Welt geschafft“.

Andere Politiker, die am Wochenende am Verhandlungstisch saßen, gaben sich offener. Der Grünen-Politiker und Spitzenkandidat der Dreierkoalition Petr Štěpánek machte kein Geheimnis daraus, dass vor allem über Verkehrspolitik gesprochen wurde. So soll etwa die am Wenzelsplatz vorbeiführende Nord-Süd-Magistrale, auf der jeden Tag bis zu 100.000 Autos verkehren, entlastet und der öffentliche Nahverkehr gestärkt werden. Der Preis für eine Jahreskarte soll laut Štěpánek von 4.750 Kronen auf 3.650 Kronen gesenkt werden. Gleichzeitig brauchen Kinder bis 15 Jahre und Erwachsene ab 65 Jahre überhaupt keinen Fahrschein mehr für Bus und Bahn, heißt es angeblich im Programmentwurf. Die neuen Fahrpreise, falls sie denn eingeführt werden, sollen zunächst zwei Jahre gelten. Danach werde erneut verhandelt, erklärte Štěpánek.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der inneren Sicherheit. „Wir wollen auch in Kindergärten und Grundschulen investieren“, sagte Verhandlungsführer Štěpánek, „damit Eltern keine Angst um ihre Kinder haben müssen“. Zudem wollen ANO, ČSSD und Dreierkoalition für eine gerechte Verteilung öffentlicher Gelder auf die einzelnen Stadtbezirke sorgen.

Ob die Koalition tatsächlich zustande kommt, hängt laut Krnáčová nach wie vor von der Piratenpartei ab. Da die Parteien nur über eine hauchdünne Mehrheit in der Stadtvertretung verfügen – sie nehmen zusammen 33 der insgesamt 55 Sitze ein –, wollen sie die Piraten noch mit ins Boot holen. Der Neuling hatte bereits angekündigt, eine Stadtregierung „unter bestimmten Voraussetzungen“ zu tolerieren. Diesbezüglich soll noch im Laufe dieser Woche ein „Gentlemen’s Agreement“ erreicht werden. Zuvor werde jedoch noch über Personalfragen diskutiert, so  Krnáčová. Sozialdemokrat Březina glaubt fest an eine „zweite Regierung auf kleinerer Ebene“: „Wir haben ein Programm ausgehandelt, dass von allen Fraktionen abgenickt werden kann. Danach geht es nur noch nach vorn.“

Parteiaustritt: Oberbürgermeister Hudeček verlässt TOP 09
Nach dem enttäuschenden Wahlergebnis sind prominente Kommunalpolitiker aus der TOP 09 ausgetreten. Prags Oberbürgermeister Tomáš Hudeček und der Vorsitzende der Prager TOP 09 Jiří Vávra beendeten am Mittwoch vergangener Woche ihre Parteimitgliedschaft. Zu Beginn dieses Jahres war zwischen den beiden ein Streit um die Spitzenkandidatur für die Kommunalwahlen entbrannt, in dessen Folge sich Karel Schwarzenberg auf die Seite Hudečeks und Miroslav Kalousek auf die Seite Vávras stellten. Unterschiedliche Ansichten herrschten nach Informationen der Tageszeitung „Lidové noviny“ auch über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Bewegung „Bürgermeister und Unabhängige“ (STAN), mit der TOP 09 bereits auf landesweiter Ebene kooperiert. Angeblich habe Hudeček auch für eine gemeinsame Kandidatur in den Prag-Wahlen plädiert, Vávra hingegen für einen Alleingang. Das hinter den Erwartungen zurückgebliebene Ergebnis – TOP 09 wurde mit 20,07 Prozent nur zweitstärkste Kraft hinter der erstmals angetretenen ANO-Bewegung mit 22,08 Prozent – sei allein auf die Kandidatur Hudečeks zurückzuführen, erklärte Vávra am Sonntag nach der Wahl. Laut Aussage von Vizeparteichef Kalousek seien beide Politiker nun aus der TOP 09 ausgetreten, um dem „guten Ruf der Partei“ nicht weiter zu schaden. Für Verwirrung sorgte nach der Wahl die Behauptung des ANO-Vorsitzenden Andrej Babiš, wonach Hudeček „vor einiger Zeit“ bei ihm angefragt habe, ob er für ANO antreten könne. Der Oberbürgermeister konterte: „Ich hatte niemals vor überzulaufen.“ Gleichwohl habe ihm ANO ein Angebot unterbreitet, das er aber abgelehnt habe.

Neben Hudeček und Vávra hatten auch Zdeněk Tůma, ehemaliger Gouverneur der Notenbank (ČNB) und TOP-09-Spitzenkandidat bei den Prag-Wahlen 2010, sowie Eva Vorlíčková ihren Parteiaustritt verkündet. Als gewählte Kandidaten werden Vorlíčková und Hudeček der künftigen Stadtvertretung trotzdem angehören. Der neue Fraktionschef Václav Novotný bezeichnete die 16-köpfige Gruppierung daher als „Vertreter von TOP 09 und Unabhängige“. Bis zum Parteitag im November wird Jiří Pařízek den Prager Kreisverband leiten. Bisher war Pařízek stellvertretender Vorsitzender und als Ratsherr für Verkehrsangelegenheiten zuständig.   (mh)

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