Einen Schritt weiter

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Holocaust-Gedenken: Staat will Grundstück der Schweinezuchtanlage in Lety kaufen

10. 11. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Michal Ritter/CC BY-SA 3.0

Nach jahrelangem Streit um die Schweinezuchtanlage auf dem Gelände des ehemaligen Roma-Konzentrationslagers im südböhmischen Lety zeichnet sich eine Lösung ab. Am Montag unternahm die Regierung einen weiteren Schritt zum Kauf des Grundstücks. Wie ein Regierungssprecher per Twitter mitteilte, habe das Kabinett dem „Entwurf zur Schließung der Schweinemast in der Nähe des Gedenkortes“ zugestimmt. Ein Gutachter soll nun den Wert des Grundstückes ermitteln, damit der Staat es dem Eigentümer abkaufen könne, gab Kultur­minister Daniel Herman (KDU-ČSL) bekannt. Die Besitzer des Mastbetriebs würden erstmals seit Langem auch einen bedingungslosen Verkauf des Geländes erwägen, so Herman weiter. Bisher habe der Eigentümer eine Variante bevorzugt, derzufolge die Regierung den Neubau des ­Betriebs in einer ähnlich guten Lage hätte gewährleisten müssen.

„Nun sind wir beim zweiten Schritt angelangt, mit dem wir die notwendige preisliche Bewertung vornehmen“, sagte Herman. Eine konkrete Summe sei bereits im Gespräch, räumte er ein. Doch wolle man diese nicht veröffentlichen, um das Ergebnis des Gutachtens nicht zu beeinflussen. Dieses erwartet Herman in einigen Monaten. Die derzeitigen Verhandlungen mit dem Besitzer stellten eine wichtige Etappe dar, das Ziel sei aber noch weit, erklärte der Minister.

Jan Čech von der Gesellschaft AGPI, die die Schweinezucht betreibt, sagte indes, seit Anfang September habe niemand von der Regierung mit ihm gesprochen. „Die Regierung bemerkt fortwährend, dass sie die Variante eines Kaufs bevorzugt, wir neigen dagegen zu einer anderen Variante.“ Dieser zufolge würde die Schweinezucht an einen anderen Ort verlegt.

Das Problem Lety beschäftigt auch Menschenrechtsminister Jiří Dienstbier (ČSSD) seit vielen Jahren. Ihm zufolge seien die Verhandlungen mit dem Eigentümer – die die Regierung seit Januar 2015 führe – ein sensibles Thema. Erschwert würden sie durch die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens und die hitzigen Debatten in der Öffentlichkeit.  

Vor allem seit den Äußerungen von Andrej Babiš (ANO) bemüht sich das Kabinett Sobotka verstärkt um einen pietätvollen Umgang mit Lety. Der Finanzminister und ANO-Vorsitzende hatte Anfang September mit seiner Bemerkung für Empörung gesorgt, Lety sei lediglich ein ­Arbeits- und kein Konzentrations­lager gewesen. Später entschuldigte sich Babiš für seine Worte, betonte jedoch, sie seien aus dem Kontext gerissen und „politisiert“ worden.

Das Zwangslager in der Nähe von Písek wurde im August 1942 unter deutscher Besatzung errichtet. Unter unmenschlichen Bedingungen starben in Lety 327 Roma. Die übrigen der mehr als 1.300 Insassen wurden nach der Auflösung des Lagers nach Auschwitz deportiert, wo die meisten von ihnen ums Leben kamen. Von den insgesamt rund 6.500 tschechischen Roma überlebten offiziellen Angaben zufolge nur 583 den Porajmos, den Völkermord an den europäischen Roma. Seit den siebziger Jahren befindet sich auf dem Gelände unweit der Holocaust-Gedenkstätte eine Schweinemast.