Die Welt steht uns offen

Die Welt steht uns offen

Spielerisch Vorurteile beseitigen und Interkulturalität fördern: Ein Jugendverband bringt deutsche
und tschechische Schulklassen zusammen

6. 1. 2016 - Text: Eva FamullaText: Eva Famulla; Foto: DJO

Hana Campos steht auf den Stufen vor der Dresdner Hofkirche. Um sie sammeln sich einige Schüler. „Wir machen jetzt eine interkulturelle Stadtrallye“, kündigt die 31-Jährige an. Die Schüler ziehen Zettel mit handgemalten Symbolen, um Gruppen zu bilden. Kurz darauf herrscht ein buntes Durcheinander: „Die Herz-Gruppe ist hier drüben!“ Als sich alle gefunden haben, werden die Aufgaben und Stadtpläne verteilt. Eine Stunde haben die Schüler Zeit, um Antworten von Passanten zu erfragen.

Was nach einer normalen Klassenfahrt aussieht, ist ein besonderes Projekt: Bei den deutsch-tschechischen Programmwochen treffen jeweils eine Schulklasse aus den beiden Ländern aufeinander. Neben einem Ausflug nach Dresden stand auch Pilsen, die europäische Kulturhauptstadt 2015, auf dem Programm. Organisiert wurde das Projekt vom Jugendverband djo-Deutsche Jugend in Europa.

Der Titel der deutsch-tschechischen Woche lautete passend: „Die Welt steht uns offen“. Neben der Sprache sollen die Schüler auch die jeweils andere Kultur näher kennenlernen. Wie Hana betont, sei es für viele Teilnehmer überhaupt der erste Kontakt mit Menschen aus einem anderen Land. „Unser Ziel ist es, dass sie am Ende sehen, dass zwar Unterschiede bestehen, sie aber auch viele Gemeinsamkeiten haben“, sagt sie.

Nach einer Stunde finden sich die Grüppchen langsam wieder an der Hofkirche ein. Sie haben mehr oder weniger erfolgreich ihre Antworten gesammelt. Hana und ihre Kollegin werten die Fragen aus: Wofür steht der Spruch „Dresden ist bunt“? Welche Organisationen in der Stadt setzen sich für Menschenrechte ein? Die Auswertung dauert lange, alles wird in zwei Sprachen erklärt. Einige Jugendliche werden ungeduldig; anschließend gibt es zwei Stunden Freizeit.

Hana freut es vor allem, wenn die geknüpften Kontakte nach Projektende weiterhin bestehen bleiben. „Gestern hat mir die Klassenlehrerin eine E-Mail geschrieben, dass sie in zwei Wochen eine Weihnachtsfeier veranstalten, zu der auch die tschechische Gruppe zu Besuch kommt“, erzählt sie.
Aber nicht nur die Sprachbarriere sei eine Herausforderung für interkulturelle Jugendprojekte, meint Hana. „Was mir in diesem Jahr leider wieder auffällt sind die fremdenfeindlichen Tendenzen, die in unserer Gesellschaft bestehen.“ Sie spricht von Rechtsextremismus, auch das bliebe ein Thema. Die Schüler würden immer wieder rechtsextreme Sprüche äußern, so Hana. „Diese Tendenzen nehmen zu. Deshalb sind solche Jugendprojekte wirklich notwendig.“

Der 27-jährige Ondřej Krupička, der als Betreuer dabei ist, ergänzt: „Mindestens die Hälfte der Kinder aus Tschechien will die deutsche Sprache erlernen und ist auch an Deutschland interessiert.“ Bei den Deutschen sehe das anders aus, das Interesse am Nachbarland sei vor allem in diesem Alter nicht groß. Darum hält es Ondřej für besonders mutig von deutscher Seite, an so einem Projekt teilzunehmen. Es geht darum, Vorurteile abzubauen und ihnen entgegenzuwirken. Die Programmwochen gibt es seit drei Jahren. Das Thema Fremdenfeindlichkeit ist mit Blick auf die Tagespolitik umso aktueller geworden.

Zumindest im kleinen Rahmen scheint die Verständigung zu funktionieren. Die 14-jährige Pauline erzählt am Ende: „Mir hat die Woche richtig gut gefallen. Ich habe gelernt, dass die tschechische Kultur genauso reich wie unsere ist.“ Komisch sei nur, dass es mit der Kommunikation manchmal hapert. Der gleichaltrige Josef aus der tschechischen Klasse berichtet: „Ich habe ein paar deutsche Wörter gelernt. So dass wir uns mit den Deutschen auch irgendwie verständigen können. Insgesamt hat mir die Woche in Deutschland Spaß gemacht.“