Die Rückkehr des Kraken
Kaplickýs Nationalbibliothek könnte doch noch gebaut werden. Dafür kämpft seine Witwe in Prag 8
20. 3. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: archiweb
Václav Klaus wollte den Kraken aufhalten – zur Not mit Einsatz seines präsidialen Körpers. Sollten die Bauarbeiten für die futuristische Nationalbibliothek, die wegen ihrer organischen Form Krake oder auch Blob genannt wird, beginnen, werde sich das Staatsoberhaupt höchstpersönlich an eine Baggerschaufel ketten. Damit drohte Klaus 2007. Das Bauwerk aus der Feder des inzwischen verstorbenen Architekten Jan Kaplický gefalle ihm nicht, es gehöre nicht in Sichtweite der Prager Burg. Letztlich musste Klaus seine Drohung nicht wahr machen. 2008 erklärte das Kulturministerium den entsprechenden Architekturwettbewerb für ungültig. Seither taucht der Krake immer wieder aus der Versenkung auf. Meist vor anstehenden Wahlen und zuletzt im achten Prager Bezirk.
Die Witwe des Architekten Eliška Kaplická, die über die Rechte an den Kraken-Entwürfen verfügt, machte sich vor zwei Wochen für den Bau im Brachland unweit des Moldau-Mäanders stark. Die Idee, den Blob auf der Rohan-Insel (Rohanský ostrov) zu bauen, gefalle ihr sehr. „Ich bin froh, dass dieser neue Impuls von Bürgermeister Jiří Janků ausgeht“, sagte Kaplická nach einer Beratung im Rathaus.
Bürgerdemokrat Janků sprach von einer Umwidmung des Kraken zum Kulturzentrum, in kleinerem Maßstab könne er sich das Projekt gut als Teil der geplanten Bebauung am Flussufer vorstellen. „Die Funktion ändert sich, der Ort ändert sich, es geht um eine gesellschaftlich-kulturelle Angelegenheit“, erklärte Kaplická.
Seither reißt die Kritik der Architekten nicht ab. Die Webseite „archiwars.cz“ machte das Bauvorhaben zum Anlass für satirische Entwürfe, die in den sozialen Netzwerken die Runde machen. Ein Krakenlabyrinth auf der Rohan-Insel etwa, „Funktion: was auch immer, vermutlich Wohnraum, einige Gedanken gibt es schon“.
Am deutlichsten meldete sich die Vorsitzende des „Klubs für das alte Prag“ („Klub Za starou Prahu“) Kateřina Bečková zu Wort. In ihrem Blog weist die Architekturhistorikerin auf die Hochwassergefahr in der Moldau-Aue hin und fragt rhetorisch, wie die Baufirma Sekyra Group, die auf der riesigen Brachfläche einen neuen Stadtteil plant, einfach die vertraglich mit der Stadt festgelegte Bebauung ändern könne, ohne dies öffentlich verhandeln zu lassen. Tatsächlich war es der Chef des Bauriesen, Luděk Sekyra, der in einem Interview mit der Zeitung „Lidové noviny“ als erster die Idee aussprach, seinem Bauprojekt mit Kaplickýs Kraken mehr Attraktivität zu verleihen.
Laut Bečková könne Kaplickýs Erbe nur geehrt werden, wenn sein Blob an geplanter Stelle, mit geplanter Funktion, Größe und Material gebaut wird. Der Witwe des Star-Architekten schreibt Bečková: „Lassen Sie sich bitte nicht naiv von der auf den ersten Blick verlockenden Idee verführen, den Blob um jeden Preis zu realisieren.“
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