„Die Bedenken der Bürger sind irrational“

„Die Bedenken der Bürger sind irrational“

Viktor Goliáš, Experte für Geochemie und Mineralogie, über Atommüll-Endlager und deren Risiken

7. 11. 2012 - Interview: Bernd Rudolf

Viktor Goliáš vom Institut für Geochemie und Mineralogie an der Prager Karlsuniversität hegt keine Zweifel an der Sicherheit potenzieller Atommüll-Endlager und spricht mit PZ-Redakteur Bernd Rudolf über Halbwertszeiten und Gebirgsbildungen.

Wo in Tschechien findet man geeignete Orte für die Endlagerung des Atommülls?
Viktor Goliáš: Es sind derzeit einige Standorte im Gespräch (siehe Artikel oben). Ins Auge gefasst werden zum Beispiel Budišov in der Böhmisch-Mährischen Höhe.

Welche Voraussetzungen muss das Gelände bieten?
Goliáš: Die zur Auswahl stehenden Gebiete bestehen aus massivem Granit. Für die langfristige Lagerung von Atommüll dürfen die Lokalitäten keine Brüche aufweisen und nur in einem ganz geringen Umfang wasserdurchlässig sein. Allerdings sind solche Orte nur sehr schwer zu finden und die Einrichtung einer Enddeponie umständlich, da die meisten Anwohner gegen die Errichtung von Lagerstätten sind.

Wie lange strahlt Atommüll und wann wird der Abfall ungefährlich?
Goliáš: Abgebrannte Brennelemente erhalten Radionuklide, deren Kerne radioaktiv zerfallen. Dabei sind die Halbwertszeiten so lange, dass etwa eine Million Jahre vergehen müssen, damit der Abfall nicht mehr gefährlich ist.

Kann man denn für so einen langen Zeitraum überhaupt absolute Sicherheit garantieren? Es wird sich währenddessen viel verändern…
Goliáš: Ganz im Gegenteil. Aus geologischer Sicht sind eine Million Jahre ein kleiner Augenblick. Rückblickend hat sich in dieser Zeitspanne auf tschechischem Gebiet tektonisch sehr wenig getan. Daher ist das Konzept, abgebrannte Brennstäbe in massivem Granit zu lagern, sicher. Hinsichtlich der in Betracht gezogenen Risiken kann man sogar sagen, dass das Endlagerkonzept unnötig überdimensioniert und teuer ist. Man könnte einfacher und billiger lagern und die gleiche Sicherheit garantieren. Den meisten Umweltaktivisten und ungebildeten Krawallmachern aber wird selbst das perfekteste Konzept nie genügen.

Gibt es denn wirklich keinerlei Risiken?
Goliáš: Eigentlich gibt es keine großen Risiken. Die Brennstäbe sollten in einer Tiefe von einigen hundert Metern und unter mehreren Schichten gelagert sein. Schon eine Gesteinsschicht von einem halben Meter schirmt die radioaktive Strahlung völlig ab. Zudem sorgen mehrschichtige Behälter dafür, dass kein Wasser, das möglicherweise einige radioaktive Elemente auflösen und in der Umgebung verteilen könnte, für einen absehbaren Zeitraum mit den abgebrannten Brennstäben in Verbindung kommt. Die Bedenken der Bürger sind daher ziemlich irrational und eigentlich nur emotional zu begründen.

Ein Problem könnte dennoch sein, dass nach so einer langen Zeit die Menschen nicht mehr wissen, wo ihre Vorfahren ihren Atommüll gelagert haben. Gibt es irgendwelche Möglichkeiten, dass die Lagerstätten nicht in Vergessenheit geraten?
Goliáš: Die Paläontologie als Wissenschaft hat uns über das Leben auf der Erde und die Dauer der Existenz von biologischen Arten viel Einblick gegeben. Manche Biologen erkennen an, dass die Entwicklung der menschlichen Spezies beendet ist. Mit Recht meine ich zu wissen, dass es auf der Erde in einer Million Jahren, wahrscheinlich auch viel früher, keine Menschen mehr geben wird. Daher spielen irgendwelche abgebrannten Brennelemente keine Rolle.