Den Pharaonen auf der Spur

Den Pharaonen auf der Spur

Seit vielen Jahren forscht der Ägyptologe Miroslav Bárta erfolreich im Ausland. Seine Projekte stehen dennoch auf wackeligen Beinen

16. 11. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert, Fotos: Martin Frouz

Geheimnisvolle Gräber, Hieroglyphen und Wüstensand: Womit sich Miroslav Bárta beschäftigt, klingt ein bisschen nach den Abenteuern des Indiana Jones. Etwa drei Monate verbringt der Ägyptologe jedes Jahr im Land der Pharaonen, um eine jahrtausendealte Hochkultur zu erforschen. Als Direktor des Ägypto­logischen Instituts der Prager Karls-Universität leitet er die Grabungen in Abusir und im Sudan. Gemeinsam mit tschechischen Archäologen gelangen ihm bedeutende Funde. Vor drei Jahren entdeckten sie in Abusir die Grabstätte eines ranghohen Arztes aus dem dritten Jahrtausend vor Christus. Im Februar dieses Jahres gab Bárta bekannt, dass sein Team ein etwa 4.500 Jahre altes Holzboot entdeckt hatte.

In der Welt der Forschung genießt die tschechische Ägypto­logie seit Jahrzehnten einen guten Ruf. Dennoch weiß Bárta nicht, wie es im Januar weitergeht. Jedes Jahr kämpfe er aufs Neue um Fördergelder. Aber das sei schwierig, da die Arbeit der Ägyptologen und Archäologen nicht in das vorgegebene Raster falle. „Unser Land ist es nicht gewohnt, in großem Maß Grundlagenforschung in den Sozialwissenschaften zu fördern, wie es zum Beispiel die Archäologie tausende Kilometer von Tschechien entfernt ist“, sagt Bárta. Das meiste Geld erhalte sein Forschungsteam vom Minis­terium für Bildung und der Karls-Universität. Längerfristige Projekte könne er aufgrund der finanziellen Unsicherheit nicht planen. „Sollte ich unser Wissenschaftsteam irgendwann auflösen müssen, würde das irreparable Schäden mit sich bringen.“

Seit den sechziger Jahren forschen die Ägyptologen der Karls-Universität in Abusir.

Etwa 50 bis 60 Wissenschaftler beteiligen sich jedes Jahr an den Feldstudien in Ägypten und im Sudan. Gerade einmal ein Drittel davon sind Archäologen und Ägyptologen, so Bárta. Die Mehrheit der Forscher kommt aus den Natur- und Technikwissenschaften. Warum sein Team so erfolgreich ist, kann Bárta schwer sagen. Vergleiche mit Wissenschaftlern aus anderen Ländern meidet er. „Das klingt in der heutigen Zeit womöglich seltsam, aber beharrliche und kontinuierliche Arbeit, Respekt gegenüber dem, was vorherige Generationen erreicht haben, internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit, Wertschätzung der Universitäten und Bescheidenheit sind für mich die Hauptfaktoren, die zu unserem Niveau beitragen.“

Forschung begreift der 46-Jährige als eine endlose Reise. Niemals dürfe man der Versuchung erliegen, sich mit seinen Ergebnissen zufriedenzugeben. „Die Grundregel in der Wissenschaft lautet: Hör niemals auf, an deinen Daten und Ergebnissen zu zweifeln! Man sollte sich nicht nur an aktuellen Entwicklungen orientieren, sondern muss seinen eigenen Weg finden. Das kann den Forscher in eine ganz neue Richtung lenken.“ Neue Wege beschritten die tschechischen Ägyptologen, indem sie Satelliten zur Erkundung des Gebietes um die Pyramiden einsetzten und die Methode der 3D-Digitalisierung nutzten.

Kein bisschen staubig
Einen wichtigen Teil der Arbeit macht auch die Analyse religiöser Texte aus, die die Wissenschaftler in den Schachtgräbern von Abusir bargen. Die jahrtausendealten Texte würden ein völlig neues Licht auf das Weltbild jener Zeit werfen, so Bárta. Vergleichende Studien zum Zivilisationsprozess sind bereits auf Tschechisch erschienen, derzeit werden sie für eine englische Publikation aufbereitet.

In der Feldforschung beschäftigen sich Bárta und seine Kollegen besonders mit dem Aufstieg und Fall des Alten Reichs und mit der Anpassung des Menschen an klimatische Veränderungen. Aber auch mit „rein ägyptologischen Themen“, wie Bárta es nennt, setzen sich die Forscher auseinander, etwa mit der Entwicklung des Verwaltungsapparates und der Grabstätten, mit der Architektur der Monumente, Töpferei und anderem Kunsthandwerk.

Fasziniert hat Bárta die Archäologie schon, als er zehn Jahre alt war. Zunächst interessierte er sich vor allem für Afrika, angefangen bei der Altsteinzeit über das Altertum bis hin zur modernen Geschichte. Später landete er beim Alten Ägypten, wie er sagt. Seit 1993 arbeitet er als Ägyptologe, im Jahr 2008 wurde er Professor an der Karls-Universität. Schaufel und Hacke kommen heute bei Bárta nicht mehr so oft zum Einsatz. „Ich liebe die Feldforschung, muss aufgrund anderer Verpflichtungen aber einen Kompromiss finden zwischen eigenen Grabungen und der Planung und Auswertung anderer Projekte.“ Wenn Bárta nicht auf Expedition ist oder Vorlesungen im Ausland hält, dann lehrt er in Prag. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf dem Ägypten des dritten Jahrtausends vor Christus und dessen gesellschaftlichen, religiösen und künstlerischen Entwicklungen. Außerdem betreibt er archäologische Studien zu Grabstätten und Siedlungen.

Dass seine Arbeit kein bisschen staubig ist, davon ist er überzeugt. „Wir beobachten und analysieren, was in der Vergangenheit geschah, um die Gegenwart zu verstehen und vielleicht auch künftige Szenarien vorauszusagen. Diese sind natürlich noch nicht geschrieben und hängen von uns ab. Wir sollten in der Lage sein, aus Vergangenem zu lernen, doch wir sind es nicht.“

Bárta nennt die Archäologie eine „zwangsläufig politische“ Disziplin. „Weil sie sich besonders mit der Art und Weise beschäftigt, in der die Menschen früher Probleme lösten, mit denen wir heute auch konfrontiert sind. Das waren zum Beispiel Klimawandel, sozialer Stress, Konkurrenz, Aufstieg und Verfall komplexer Systeme, Vetternwirtschaft, zunehmende Bürokratie, Migration, die Identität verschiedener Gemeinschaften, internationale Beziehungen und Kriege und vieles mehr. Unser Vorteil ist, dass wir eine Perspektive aus langer Sicht haben und nicht erst seit einigen Jahren darauf blicken. Wir wissen, wie es begann und welches Ende es fand.“


Kleine Geschichte der tschechischen Ägyptologie
Die Geschichte der tschechischen Ägyptologie ist untrennbar mit dem Namen František Lexa (1876–1960) verbunden. Im Selbststudium brachte sich der Böhme die ägyptische Sprache bei, die er später an der Prager Karls-Universität lehrte. Auf seine Initiative wurde im Jahr 1925 das Ägyptologische Seminar an der Hochschule eingerichtet. Das Institut wurde 1958 gegründet. Von 1961 bis 1965 beteiligten sich die Forscher des Ägyptologischen Instituts an der Unesco-Aktion zur Rettung der Altertümer Nubiens, die damals durch den Bau des Assuan-Staudammes bedroht waren. Zu den Meilensteinen gehört die Erforschung der „Mastaba von Ptahschepses“ – das Grab eines Beamten aus dem Alten Reich in Abusir. Seit 1976 leitet das Ägyptologische Institut die internationalen Forschungsarbeiten in dem kleinen Ort etwa 20 Kilometer südlich von Kairo. Zwischen 1995 und 1997 entdeckten die Forscher unter der Leitung des Ägyptologen Miroslav Verner das Grabmal des Priesters Iufaa. Zu den berühmtesten Funden gehört wohl das teilweise erhaltene Papyrusarchiv von König Raneferef aus der Hälfte der fünften Dynastie, also um 2400 vor Christus. Für Aufsehen sorgten tschechische Wissenschaftler, als sie im Januar 2015 in Ägypten das Grab einer bisher unbekannten Königin entdeckten. Es soll sich um Chentkaus III. handeln, eine Frau des Pharaos Raneferef.