Demontage und Marginalisierung

Demontage und Marginalisierung

Zuerst Abberufung, dann Rücktritt: Menschenrechtsbeauftragte der Regierung gibt auf

23. 10. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: MPSV

Es ist ein fragwürdiger Rekord, den die ohne Mandat regierende Übergangsregierung von Premier Jiří Rusnok für sich beanspruchen kann: In nur 100 Tagen hat sie 82 hohe Beamte des Staatsapparates und Manager von Staatsbetrieben abberufen und ersetzt, die meisten davon ohne nähere Begründung. Bisher letztes Opfer dieser Säuberungen ist Monika Šimůnková, bis vor kurzem Leiterin des Regierungsrats für Menschenrechte sowie Regierungsbeauftragte für diesen Bereich. Am Dienstag vergangener Woche wurde sie von der erstgenannten Funktion abberufen. Offizielle Begründung: Nichteinhaltung der Arbeitszeit und schlechte Arbeitsmoral. „Eine Scheinbegründung, beleidigend und lächerlich“, reagierte Šimůnková und trat aus Protest von dem ihr noch verbliebenen Amt der Regierungsbeauftragten für Menschenrechte zurück. Nicht jedoch ohne ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Sie fühle bereits seit längerer Zeit Druck auf sich und ihre Funktion. „Ich spüre das Bestreben des Innenministers, die Menschenrechtsagenda in seinen Kompetenzbereich zu bekommen. Das ist keine gute Lösung“, sagte Šimůnková vor Journalisten in Prag. Innenminister Martin Pecina weist solche Ambitionen von sich: „Nicht ich, sondern sie suchte das Gespräch mit mir. Ich bot lediglich an, den Bereich nationale Minderheiten durch das Innenministerium zu überdachen. Das hat sie abgelehnt. Damit war die Sache für mich erledigt“, so der Minister im Tschechischen Fernsehen.

Keineswegs erledigt war für Pecina jedoch ein Konfliktthema, hinter dem Šimůnková den wahren Hauptgrund ihrer Entlassung vermutet – die „Kosaken-Causa“. Worum geht es? Die Interimsregierung ließ den jährlichen Bericht zur Situation der nationalen Minderheiten überarbeiten – in der ursprünglichen, von Šimůnková verantworteten und der Regierung Nečas abgesegneten Version wurde in einer Passage vor den „schädlichen Aktivitäten russischer Kosaken“ in Tschechien gewarnt, diese seien antidemokratisch und würden vom Kreml gelenkt werden. Für die als russlandfreundlich geltende Regierung Rusnok ein Affront – prompt wurde die Passage nachträglich gestrichen. Als Šimůnková dieses Vorgehen öffentlich kritisierte, sei sie vom Chef des Regierungsamtes „auf deutliche Art und Weise“ zur Ordnung gerufen worden.

Schwerpunkt Romapolitik
Die Entlassung Šimůnkovás ist der vorläufige Höhepunkt der Demontage eines Ressorts, das es seit 1998 gibt und das von 2006 bis 2010 sogar im Rang eines Ministeriums für Menschenrechte funktionierte. Ein Schwerpunkt der Agenda ist die Beschäftigung mit der Roma-Problematik. Doch klagten bereits seinerzeit die Minister Stehlíková und Kocáb über fehlendes Interesse bei den Kabinettsmitgliedern und mangelnde Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Regierungspolitik. Unter der Regierung Nečas wurde der Menschenrechtsminister Kocáb zunächst zum Regierungsbeauftragten degradiert, nach dessen Rücktritt blieb das Amt mehrere Monate unbesetzt. Erst im Februar 2011 wurde Monika Šimůnková zur Regierungsbeauftragten für Menschenrechte ernannt, allerdings stand sie keinem eigenständigen Amt, sondern nur noch einer „Sektion“ des Regierungsamtes vor.

Abgesehen von der Person Monika Šimůnkovás, die in ihrer Funktion von unterschiedlichen Seiten auch Kritik einstecken musste, sehen Beobachter die zunehmende Marginalisierung der Menschenrechts-agenda auf Regierungsebene mit Sorge – zumal in Zeiten, wo nahezu wöchentlich rechte Gruppen Jagd auf Roma machen. „Sparmaßnahmen hin oder her – wenn davon als erstes eine Institution betroffen ist, die sich um Minderheiten, Obdachlose und Benachteiligte kümmert, dann zeigt das, dass die tschechische Politik in eine Richtung geht, die anders ist, als es sich für ein Land gehören würde, das sich zu gleichen Bürgerrechten, zur Freiheit und zum Minderheitenschutz bekennt“, kritisierte Politologe Milan Znoj im Tschechischen Fernsehen. Viele Beobachter sind überzeugt, dass gerade angesichts der komplexen Roma-Problematik ein politisch starker Menschenrechtsminister dieses schwierige Thema angehen müsste. Ob es diesen nach den Wahlen geben wird, ist fraglich. Im Programm des wahrscheinlichen Wahlsiegers ČSSD findet sich dazu jedenfalls nichts.