Das verfallene Kleinod am Ende der Welt

Das verfallene Kleinod am Ende der Welt

Nahe der deutsch-tschechischen Grenze bemüht sich ein Verein um die Wiederbelebung des Ortes Fojtovice

17. 7. 2013 - Text: Jakob MatheText und Foto: Jakob Mathe

 

Romana Krucká schwärmt von der Geschichte ihres Dorfes. „Früher war das hier eine blühende Region. Dank der Poststraße von Dresden nach Teplitz, die hier entlangführte, florierte die Wirtschaft und es herrschte großer Wohlstand.“ Krucká ist Mitglied im „Verein für den Wiederaufbau von Fojtovice“. Fojtovice (Voitsdorf), ein kleines Dorf im Erzgebirge, liegt nur einen Katzensprung von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt. Auf seiner Internetseite präsentiert sich der Ort mit dem Slogan „Das Paradies am Ende der Welt“. Dass Fojtovice heute noch ein Paradies ist, kann man bezweifeln, aber Romana Krucká und der Verein arbeiten daran, dass sich das wieder ändert.

Früher herrschte in Fojtovice das blühende Leben. Der Bergbau und die Landwirtschaft prägten die Region und sorgten für deren Aufschwung. Unzählige Handwerker und Kaufleute waren im Ort ansässig. Bevor die Deutschen 1938 einmarschierten, zählte die tschechoslowakische Wirtschaft zu den stärksten der Welt. Jetzt erinnert hier fast nichts mehr an die alten Zeiten. Einst standen in Fojtovice über 160 Häuser, heute sind es keine 30 mehr. Die Ruine der Hutfabrik, in der früher Kopfbedeckungen für die ganze Welt hergestellt wurden, ist vor drei Jahren einfach in sich zusammengefallen. Der Verfall des Dorfes begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Tschechen wollten nicht in die leerstehenden Häuser der vertriebenen Deutschen einziehen. Also bauten die Kommunisten die Gebäude schrittweise ab und transportierten die Materialien in die Slowakei, wo sie schließlich für den Wiederaufbau verwendet wurden.

Heimat online
Der Bürgerverein, der 2006 gegründet wurde, setzt sich für die Erneuerung des Dorfes und die Wiederbelebung alter Traditionen ein. In Zukunft soll ein Museum entstehen, das die Geschichte der Ortschaft nachzeichnet. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg und die Finanzierung gestaltet sich schwierig. Außerdem versuchen die Mitglieder, so viel wie möglich über die Geschichte ihrer Heimat in Erfahrung zu bringen. Sie forschen in Archiven, Büchern und alten Verzeichnissen. Dabei stehen sie in engem Kontakt mit anderen Heimatforschern der Region. „Leider sind in letzter Zeit viele ältere Menschen verstorben oder aus dem Ort weggezogen. Die meisten Leute sind Zugezogene, Zeitzeugen leben hier also kaum noch. Wir stehen mit ihren Verwandten in Kontakt und tauschen alte Fotos und sonstige Quellen aus“, erklärt Krucká. Diese Kommunikation läuft auch über das Internet ab. Hier finden sich mittlerweile zahlreiche Portale, die sich mit der Geschichte der deutsch-tschechischen Grenzregion und den verschwundenen Dörfern befassen. Die Internetgemeinde hat in den letzten Jahren großen Zuwachs bekommen. Immer öfter arbeiten Deutsche und Tschechen grenzüberschreitend zusammen, die Verständigung gestaltet sich aufgrund der Sprachbarriere jedoch oft schwierig.

Ansichten aus Teplice
Der Verein für den Wiederaufbau will auch das Interesse junger Menschen wecken und lädt immer wieder Schulklassen nach Fojtovice ein. Dabei sollen die Schüler nicht nur mehr über historische Begebenheiten in der Umgebung erfahren, sonden auch über die vielfältige Natur des Erzgebirges. Auf dem Weg zum nahegelegenen Mückenberg, passieren Wanderer und Touristen häufig das Dorf. In einem Informationszentrum können diese mehr über die Region erfahren. Sehr erfreulich sei vor allem das Interesse der jungen Leute, besonders von deutscher Seite. „Die Deutschen zeigen sich sehr interessiert, wollen viel wissen und lassen sich gern herumführen. Die Tschechen sind da manchmal ein bisschen fauler“, schmunzelt Krucká.

Der 17-jährige Dominik Feri aus Teplice jedoch zeigt mit seinem Engagement, dass das Geschichtsinteresse längst auch bei jüngeren Tschechen angekommen ist. Vor eineinhalb Jahren begann er mit dem Sammeln von Ansichtskarten aus Teplice und der Umgebung. Das Hobby entstand aus der Liebe zu seiner Heimat. Auf seiner Facebook-Seite „Teplitz – Schönau“ veröffentlicht Dominik historische Fotos und erhält dabei viel Zuspruch aus der ganzen Welt. Über 3.400 Leute folgen seiner Seite bereits und es werden immer mehr.

Unter anderem erreichen ihn Anfragen aus Deutschland, Israel und England. Auch die tschechischen Medien sind bereits auf ihn aufmerksam geworden. Dominik will den Menschen aus Teplice die Augen öffnen. „Ich möchte den Leuten meine Informationen nicht einfach unter die Nase reiben, sondern ich versuche ihnen zu zeigen, dass es möglich ist, mehr über seine Stadt, seine Straße oder sein Haus zu erfahren“. Seiner Meinung nach fehlt vielen Menschen eine richtige Einstellung zu ihrer Heimat. „Ich glaube, dass viele Leute einfach zu wenig über unsere Stadt wissen. Aber wer über die Zukunft der Stadt entscheiden will, muss auch eine klare Position zu ihrer Vergangenheit haben.“ Dominik ist froh, dass nicht nur er, sondern auch andere Spaß an seinem Hobby haben. All das motiviert ihn weiter zu forschen, auf den Spuren vergangener Tage.