Das Geschäft mit dem Kinderwunsch

Das Geschäft mit dem Kinderwunsch

Mehr als 40 Zentren nehmen in Tschechien künstliche Befruchtungen vor – nicht alle Praktiken sind auch in Deutschland erlaubt

15. 6. 2016 - Text: Katharina WiegmannText: kw/čtk; Foto: APZ

Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. Manchmal kommt es aber vielleicht nur auf die finanziellen Ressourcen an – und auf die Bereitschaft, längere Wege auf sich zu nehmen. Das heißt natürlich nicht, dass Paare und Alleinstehende mit Kinderwunsch in Tschechien nur eine ausreichend hohe Summe auf den Tisch legen müssen, um sich diesen zu erfüllen. Die Möglichkeiten zur künstlichen Befruchtung sind hierzulande allerdings größer als beispielsweise in Deutschland.

Assistierte Reproduktion sei zu einem guten Geschäft geworden, kritisieren einige Ärzte und fordern eine Regulierung. Für Fertilitätszentren sollten klare Kriterien zur Bewertung der Qualität und Erfolgsquote eingeführt werden. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, ob es überhaupt noch um Medizin gehe, so der stellvertretende Chefarzt der Klinik „Sanatorium Helios“ Petr Popov. „Gemessen an der Einwohnerzahl haben wir die höchste Klinikdichte Europas, wenn nicht sogar der ganzen Welt.“

Doch nicht nur Ausländer nehmen die Dienste von Reproduktionsmedizinern in Anspruch. Rund 20 Prozent aller Paare in Tschechien hätten Probleme mit der Fruchtbarkeit, sagt der Chefarzt des Instituts für Reproduktionsmedizin Unica Jan Štencl. Vor 25 Jahren seien es lediglich sechs bis acht Prozent gewesen. Den Grund dafür sieht er darin, dass die Tschechen immer später Eltern werden. 1989 lag das Durchschnittsalter bei 22,5 Jahren, im vergangenen Jahr wurden Frauen durchschnittlich mit 28,2 Jahren schwanger. Zudem steige die Zahl derjenigen an, die erst mit 35 Jahren oder später ein Kind bekommen. Frauen dieser Altersgruppe machen einen Großteil der Patientinnen aus.

Die Versicherungen hierzulande kommen für künstliche Befruchtung bis zum Alter von 39 Jahren auf. Danach müssen die Patientinnen die Kosten selbst tragen. Am staatlichen „Institut für die Pflege von Müttern und Kindern“ in Prag kostet ein Behandlungszyklus für Tschechinnen und EU-Bürgerinnen 26.000 Kronen (rund 1.000 Euro), Ausländer aus Drittstaaten müssen 40.000 Kronen bezahlen. Das Einfrieren und Lagern eines Embryos wird von den Zentren für 4.000 beziehungsweise 8.000 Kronen übernommen. Dabei handelt es sich um befruchtete Eizellen, die bei einer künstlichen Befruchtung übrig bleiben und nicht mehr benötigt werden.

In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz die Konservierung und Weitergabe überzähliger Embryonen – tschechische Fertilitätszentren führen die Übertragung durch. Empfängerinnen von gespendeten Eizellen und Sperma müssen 82.500 Kronen (rund 3.000 Euro) aufbringen. Männliche Spender erhalten 1.000 Kronen, Eizellen-Spenderinnen 20.000 Kronen. „Für sieben Behandlungszyklen habe ich rund 100.000 Kronen bezahlt – inklusive Treuerabatt“, berichtete eine Patientin am „Nationalen Tag der Unfruchtbarkeit“ Anfang Juni.

Die jetzt schon hohen Umsätze der Branche könnten weiter steigen, falls es den Kliniken des Hartenberg-Fonds gelingt, das Alter, bis zu dem die Versicherungen die Behandlungen übernehmen, auf 43 Jahre zu erhöhen. Der Fonds verwaltet auch Gelder von Finanzminister Andrej Babiš.

Mediziner Petr Popov bemerkt, dass manche Kliniken unter dem hohen Gewinndruck mehr Behandlungszyklen durchführen, damit sie von Patientinnen und Versicherungen mehr Geld erhalten. Oberarzt Jan Šulc vom Zentrum für assistierte Reproduktion GEST hingegen hält solche Maßnahmen nie für komplett sinnlos. „Selbst wenn die Chancen einer Schwangerschaft für eine Frau in den Vierzigern gering sind – wenn sie eine Behandlung wünscht, wird diese auch durchgeführt.“

Versicherungen in Tschechien übernehmen vier Zyklen, manchmal ist der Eingriff schon beim ersten Mal erfolgreich, in anderen Fällen sind mehrere Anläufe nötig. Der Erfolg der Befruchtung hänge allerdings nicht von der Anzahl der durchgeführten Versuche ab, sondern von der Ausstattung der Klinik und der Qualifikation des Teams, so Popov. Transparente Kriterien zur Qualitätsbewertung der Institute seien nötig, damit die Kosten für die Versicherungen nicht steigen.

Šulc warnt davor, die Kosten zum ausschlaggebenden Faktor bei der Wahl der Behandlungsmethode zu machen. „Vielen Paaren würde das nicht helfen. Die Erfolgsaussichten wären niedriger. Wenn nur ein eingeschränktes Spektrum zur Verfügung steht, ist es besser, es ganz zu lassen.“ Für Männer und Frauen mit Kinderwunsch wäre das eine große Enttäuschung – in Tschechien wie in Deutschland.