Bunt statt bürokratisch

Bunt statt bürokratisch

Prager Bürgerinitiative kämpft für Einrichtung eines Sozialzentrums in einer leerstehenden Poliklinik

14. 1. 2015 - Text: Franziska NeudertText und Foto: Franziska Neudert

In den letzten Wochen des vergangenen Jahres rückte ein unscheinbares, verwahrlostes Gebäude in den Fokus der Prager Stadtpolitik. Etwa 30 Aktivisten besetzten Ende November für einige Tage eine ehemalige Poliklinik in der Jeseniova-Straße im Stadtteil Žižkov. In einem Demonstrationszug forderten bald darauf mehrere hundert Menschen: „Jede Stadt braucht ihre Klinik“ und „Kliniken müssen atmen“. Die Polizei räumte das Gebäude und sperrte es ab.

Die Bürgerinitiative „Klinika“, die sich hinter der Aktion verbirgt, lässt sich davon nicht beirren. Nun hat sie den 24. Januar zum „Tag der Klinik“ ausgerufen. Mit Demonstrationen, Konzerten, Vorträgen und Theateraufführungen will sich die Initiative an diesem Tag an verschiedenen Orten in Prag dafür stark machen, dass in der ehemaligen Poliklinik ein autonomes Sozialzentrum eingerichtet werden darf. „Wir werden nicht aufhören, uns für die Klinik einzusetzen. Und vielleicht gelingt es uns auch, die tschechische Gesellschaft davon zu überzeugen, dass Squatting ein bisher wenig beachteter Bestandteil der Demokratie ist“, heißt es auf der Homepage der Initiative.

Neben einer öffentlichen Debatte zum Thema Squatting – dem Hausbesetzen – und dessen Entkriminalisierung wollen die Aktivisten außerdem dazu aufrufen, Konzepte von Gemeingut und Privateigentum zu überdenken.
Die ehemalige Klinik steht bereits seit fünf Jahren leer. Obdachlose und Drogen­abhängige bewohnten sie zwischenzeitlich, was bei vielen Anwohnern für Unmut sorgte. Derzeit wird das zunehmend verfallende Gebäude am Fuß des Parks Parukářka vom Amt für die Vertretung des Staates in Eigentumsfragen (Úřad pro zastupování státu ve věcech majetkových, ÚZSVM) verwaltet. Der Staat plant es noch im Januar der Generalinspektion der Sicherheitskräfte (Generální inspekce bezpečnostních sborů, GIBS) zu verpachten, die den Bau für rund zehn Millionen Kronen (etwa 350.000 Euro) sanieren lassen und anschließend für ihre Zwecke nutzen will.

Trotz dieser Pläne wollen die Aktivisten von „Klinika“ ihr Vorhaben nicht aufgeben. „Jede Stadt braucht ein solches Gemeindezentrum. Es hilft, ein freieres Zusammenleben ohne gesellschaftliche Ungleichheiten zu schaffen und bringt die Menschen zusammen“, erklärt Aleš Bezduš von „Klinika“. In der Begegnungsstätte würden Workshops sowie kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte und Filmabende stattfinden, so Bezduš. Außerdem könnte eine Bibliothek oder eine Kantine in dem Gebäude Platz finden. Wie in einem „zweiten Zuhause“ sollen die Leute sich dort treffen können, um sich auszuruhen, zu plaudern oder sich handwerklich zu betätigen. Wichtig ist der Ini­tiative, dass das Zentrum „von unten“ gestaltet wird. Die Menschen sollen sich als demokratische Wesen verstehen, die ihre Gesellschaft aktiv mitgestalten können. So heißt es im Konzept der Bürgerinitiative: „Zu einer Demokratie, die wir als Prozess begreifen, an dem die Menschen teilhaben, gehört, dass sich die Leute an den Entscheidungen über öffentliche Belange beteiligen können – also auch daran, wie die Stadt aussieht.“

Konzept gesucht
Einen entsprechenden Entwurf hat „Klinika“ beim Rathaus von Prag 3 und dem Magistrat bereits eingereicht, nun laufen die Verhandlungen mit den beteiligten Parteien, also auch mit dem ­ÚZSVM. Von der Behörde erhofft sich „Klinika“, dass es das Gebäude dem dritten Stadtbezirk überlässt, der es der Bürgerinitiative wiederum mietfrei zur Verfügung stellen könnte. „Doch die Verhandlungen sind zäh, wie das mit tschechischen Ämtern nun einmal so ist“, erzählt Bezduš. „Also müssen wir mehr Druck machen.“ Ein offener Brief an die Regierung sowie eine Petition, die bereits mehr als 2.000 Menschen unterschrieben haben, sollen helfen.

Zudem erfährt die Initiative offiziell Unterstützung von Prag 3. „Dass sich Menschen für andere einsetzen, ist heute einzigartig. Solche Initiativen unterstützt das Rathaus immer. Wir müssen allerdings ein realistisches Konzept finden, wie sich das Engagement von „Klinika“ in unsere Stadtpolitik eingliedern lässt“, sagt die Bürgermeisterin von Prag 3 Vladislava Hujová (TOP 09). Auch der stellvertretende Oberbürgermeister Matěj Stropnický (SZ, Partei der Grünen) spricht sich für ein autonomes Sozialzentrum aus: „Die Entwicklung der Stadt leidet darunter, wenn an dieser Stelle ein weiteres Amt einzieht. Das Objekt befindet sich im Grünen, am Rande des Parks, umgeben von mehreren Gärten. Es wäre sehr schade, wenn das Gebäude am Abend schließt und dann quasi tot ist.“

Um der zunehmenden Kommerzialisierung des städtischen Raumes entgegenzuwirken, will „Klinika“ keinen aufwendig sanierten und überteuerten Mietraum schaffen, sondern den Bau eigenständig wieder instand setzen und mit seinen Aktionen selbst finanzieren. „Unsere Variante wäre also viel günstiger und käme ohne öffentliche Gelder aus“, so die Aktivisten. Dass ein Gemeindezentrum funktionieren könnte, habe die knapp zehntägige Besetzung vor wenigen Wochen gezeigt. Lange nicht sei der Ort so lebendig und bunt gewesen. „Wir sind davon überzeugt, dass wir alles, was wir uns von dem Projekt versprechen, unter den gegebenen Bedingungen umsetzen können“, zeigen sich die Aktivisten zuversichtlich.