Böse Geister, dichte Wälder und die Liebe

Böse Geister, dichte Wälder und die Liebe

Woher haben die Prager Stadtviertel ihre Namen? Eine Spurensuche zwischen Fakten und Legenden

29. 6. 2016 - Text: Corinna Anton

Braník: Wer unter den mächtigen Felsen von Braník steht, kann sich gut vorstellen, wie das Viertel zu seinem Namen kam. Ein „braník“ ist ein befestigter Hügel, der zur Verteidigung bestimmt ist. Der Legende nach soll sich auf dem Felsen einst eine Burg befunden haben, deren Schatz noch immer dort verborgen sein könnte.


Dejvice: Erstmals erwähnt wurde der Ort im Jahr 1088. In lateinischen Dokumenten war damals von „Degnici“ die Rede. Mit der Zeit wurde daraus „Dehnice“ und im 19. Jahrhundert schließlich Dejvice. Für die Herkunft gibt es mehrere Erklärungsversuche. Man könnte den Begriff etwa von der Pechherstellung (von: „dehet“ – „Pech“) ableiten oder vom Wort „dehna“ („böser Geist, Dämon, Teufel“), weil die Einheimischen früher angeblich Nachbarn und Reisende bedroht haben.



Holešovice: Der Name leitet sich wahrscheinlich vom Wort „holý“ oder „holec“ ab. Beides bezeichnet einen bartlosen jungen Mann. Im übertragenen Sinn kann damit auch unfruchtbares Land gemeint sein – in diesem Fall die karge Gegend am Fluss, die häufig überschwemmt war und nach dem Hochwasser eine Fläche voller Sand und Steine blieb.


Karlín: Der Bau der Prager Vorstadt Karlín (Karolinenthal) begann im Jahr 1817. Benannt wurde die neue Ansiedlung nach Karoline Auguste von Bayern, der vierten Frau Kaisers Franz I. von Österreich. Geboren 1792 in Mannheim, war sie die Tochter von König Maximilian I. Joseph von Bayern und Auguste Wilhelmine von Hessen-Darmstadt und durch ihre beiden Eheschließungen erst Kronprinzessin von Württemberg und schließlich Kaiserin von Österreich.


Libeň: Wer beim Stadtteil Libeň an die Liebe denkt, liegt richtig. Wahrscheinlich zählt der Name zur großen Gruppe der slawischen Ortsbezeichnungen, die sich von dem Verbstamm „ljub“ ableiten. In Tschechien zählen dazu zum Beispiel Libice oder Libušín und viele weitere, in Polen Lublin, in Slowenien Ljubljana. Die ursprüngliche Bezeichnung „libé“ hieß soviel wie „angenehmer Ort“.



Nové Město: Die Gründung der Neustadt geht auf Karl IV. zurück. Bereits unter seinem Vater Johann von Luxemburg gab es Platzprobleme innerhalb der Stadtmauern. Viele Menschen hatten sich in den Siedlungen niedergelassen, die vor den damaligen Stadtmauern lagen, woraufhin eine beinahe durchgängige Bebauung entlang der Moldau entstanden war. Karl IV. beschloss, eine neue Stadtanlage zu gründen. Mit der Neustadt (Nové Město) sollte die Residenz des Königs weiter aufgewertet werden.


Prosek: Der Name Prosek hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass von dort schon sehr früh ein Weg von Prag in Richtung Norden führte. Die Straße hat wohl jemand durch ein Dickicht geschlagen, denn „prosekat“ bedeutet „aufhacken“ oder „durchhauen“. Manche Legenden besagen, dass die böhmischen Könige sich in dieser Gegend erst den Weg freischlagen lassen mussten, bevor sie weiterreisen konnten.


Smíchov:
Der Sage nach soll am Ufer der Moldau im heutigen Smíchov einst Horymír gelacht haben, eine Gestalt aus der tschechischen Mythologie. Nachdem er vom Fürsten Křesomysl zum Tode verurteilt wurde, soll er mit seinem Pferd vom Vyšehrad gesprungen und durch die Moldau geschwommen sein, um sich ans andere Ufer zu retten. Der Name Smíchov könnte daher von „smích“ („Lachen, Gelächter“) kommen. Eine weitere Erklärung ist, dass ein gewisser Jan Smíchovský das Gebiet im 15. Jahrhundert gekauft hat, das anschließend nach ihm benannt wurde. Möglich ist aber auch, dass der Name aus dem 14. Jahrhundert stammt. ­Damals wurde die Fläche erst­mals aufgeteilt. Ein großes Stück soll Eduard Wejšera bekommen haben, der angeblich als einer der ersten die königliche Lizenz zur Zucht von Schafen, Ziegen und Rindern erhielt. Aus „smí chovat“ („er darf züchten“) könnte später Smíchov geworden sein. Nicht zuletzt könnte die Bezeichnung aber auch daher stammen, dass sich im 14. Jahrhundert Menschen verschiedener Herkunft in der Gegend ansiedelten und es zu einer „Vermischung“ („smíchání“) kam.


Troja:
Troja hieß ursprünglich nicht das ganze Viertel, sondern nur das Schloss im Prager Norden, das im 17. Jahrhundert erbaut wurde. Der Name kommt von einer Statuengruppe, die sich auf der Treppe zum Garten befindet. Ein direkter Bezug zur antiken Stadt Troja ist zwar nicht nachgewiesen, offenbar haben die Figuren die Betrachter aber an den Trojanischen Krieg erinnert. Ab dem 18. Jahrhundert wurde die gesamte Ansiedlung um das Schloss Troja genannt.


Vinohrady:
An den südwestlichen Hängen hinter den Toren der Stadt lagen im Mittelalter Weinberge – auf Tschechisch „Vinohrady“. Im Jahr 1879 wurde die Ansiedlung zur Königsstadt „Královské Vinohrady“ („Königliche Weinberge“) erhoben.


Žižkov: Der einäugige Jan Žižka aus dem südböhmischen Trocnov war einst der wichtigste Heerführer der Hussiten. Heute blickt er von seinem Denkmal auf dem Vítkov (Veitsberg) streng über das nach ihm benannte Stadtviertel.