Blaufränkisch statt Budweiser

Blaufränkisch statt Budweiser

Gepflegt guten Wein trinken ist in Prag möglich – man muss nur wissen wo

4. 9. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: alexbrn

 

„Jahre des Bieres“nannte der umstrittene Medienunternehmer, Politiker und Weingutbesitzer Vladimír Železný die Zeit des Kommunismus einmal. Er spielte damit auf die erstaunliche Tatsache an, dass die tschechische Bierkultur trotz Kommunismus und Planwirtschaft ungeahnte Raffinesse und Qualität erreichte. Der Versuch, vor 1989 in einem Prager Lokal ein anständiges Glas Wein zu bekommen, war hingegen ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen.

Wer allerdings hoffte, dass mit dem Ende des Kommunismus Prag zu einem Mekka für Weinliebhaber werden könnte, sah sich zunächst getäuscht. Die Entwicklung einer anspruchsvollen Weinkultur mit entsprechender Szene und Angeboten dauerte lange. Erst in den letzten Jahren kam sie in Schwung, dafür aber richtig: „Die Veränderungen in den vergangenen Jahren waren dramatisch. Endlich gab es Weinbars von internationalem Format, die nichts mit den verqualmten sogenannten ,Weinstuben‘ („vinárny“) zu tun hatten. Die gesamte Gastroszene hat einen großen Schritt nach vorn gemacht“, sagt Jan Čeřovský, Tschechiens wohl bekanntester Weinblogger und intimer Kenner der Prager Szene. „Verkostungen und andere Wein-Events finden in Prag heute jeden Tag statt“, fügt er hinzu.

Und die Prager nehmen das Angebot an. Weinbars, Weinfeste, Verkostungen sind gut besucht, das Thema ist angesagt. Das gilt jedoch nicht nur für Prag, auch in Deutschland ist die Beschäftigung mit Rebsorten, Jahrgängen und Weinbergslagen ein Trend vor allem der urbanen Mittelschicht. „Wein ist wirklich ein Modethema, und zwar ein ewiges. Wer einmal guten Wein probiert hat, der wird nie mehr schlechten trinken. Wein ist gesellig, unterhaltsam und bereichert die Menschen um neue Erfahrungen mit Gastronomie, mit Reisen, mit Geschichte – es ist ein Stück Kultur“, erklärt Klára Kollárová, Sommeliere und Mitbetreiberin der Weinbar „Vinograf“ unweit des Wenzelsplatzes.

Zwar verfügt Tschechien mit Südmähren über ein relativ großes, traditionsreiches und auch heute recht gut aufgestelltes Weinbaugebiet. Doch spielt die Region mit ihrer Metropole Brünn, immerhin zweitgrößte Stadt des Landes, für die tschechische Weinszene kaum eine Rolle. Wie in anderen Bereichen auch konzentriert sich fast alles auf die Hauptstadt. Den mährischen Winzern ist das bewusst. Das alte Klischee, wonach die bauernschlauen Mährer den „dummen Pragern“ ihre minderwertigen Restweine für teures Geld andrehen, hat mit der heutigen Realität nichts zu tun. „Der Qualitätsanspruch ist in Prag mit Abstand am höchsten“, bestätigt der Winzer Marek Vybíral. Für sein in Südmähren, nahe der österreichischen Grenze gelegenes Weingut „Krásná hora“, ein aufstrebender moderner Familienbetrieb, hat die Hauptstadt entscheidende Bedeutung. „In Prag haben wir mehr Vertriebs- und Verkaufsstellen als im gesamten Rest des Landes“, so Vybíral, der seine eigene Erklärung für den Prager Wein-Boom hat: „Wein ist heute Bestandteil einer Art der intellektuellen Unterhaltung. Und der größte Teil der sogenannten gebildeten Intelligenz ist eben in Prag und geht dort seinem Weinhobby nach.“

Dennoch ist für Weinfreunde Vorsicht geboten. Mitnichten gilt, dass neuerdings alle Prager Lokale tolle Tropfen im Überfluss anbieten. Im Gegenteil: In der einfachen Kneipe, im normalen Touristenlokal darf man in der Regel keine vinophilen Höhenflüge erwarten. „Meistens bekommt man dort leider keinen guten mährischen Wein, sondern belanglose Massenware“, sagt Winzer Vybíral. Auch Sommeliere Klára Kollárová sieht deutlich Luft nach oben: „Für hochwertige Weinprojekte ist immer Raum da. Und von denen gibt es in Prag noch zu wenig.“

Die demnächst stattfindenden Weinlesefeste („vinobraní“) betrachten die wahren Weinfreaks mit gemischten Gefühlen. Einerseits freut man sich, dass damit das Thema Wein in der Öffentlichkeit präsent ist, andererseits distanziert man sich von dem häufig allzu volkstümlichen und stellenweise kitschigen Kirmescharakter dieser Veranstaltungen. „Man muss eben konkret hinschauen und unterscheiden, wo es nur ums Besaufen geht und wo der Weinfreund einen seriösen Mehrwert bekommt“, sagt Kollárová.

Expertentipps für Weinfreunde

Jan Čeřovský ist Tschechiens bekanntester Weinblogger (www.jizni-svah.cz) und Weinkolumnist der Zeitung „Hospodářské noviny“. Hier seine Empfehlungen:

Weinbars

Veltlín in Karlín. Hervorragende Weinbar mit Schwerpunkt auf authentischen, naturnahen Weinen aus dem Gebiet der ehemaligen Donaumonarchie.
Křižíkova 115, geöffnet: Mo.–Fr. 15–22 Uhr, Sa. 16–22 Uhr,www.veltlin.cz

Velký Vinograf in der Neustadt. Moderne, stilvolle Weinbar mit großer Auswahl an Weinen aus aller Welt, dazu passendes Essen und Snacks, internationale Spitzenklasse.
Senovážné náměstí 23, geöffnet: Mo.–Sa. 11–24 Uhr, www.vinograf.cz

Bokovka in der Altstadt. Gehört neuerdings zur Ambiente-Gruppe, interessantes Konzept – fast alle Weine kosten gleich viel bei unterschiedlichen Schenk-Mengen, vom Basiswein bis zum großen Wein.
Pštrossova 8, geöffnet: Mo.–Sa. 16–1 Uhr, www.bokovka.com

Restaurants mit Weinservice

Blue Wagon nahe Náměstí Míru. Neues Restaurant im Zentrum mit hervorragender ehrlicher Küche, zum guten Preis und interessanter Weinkarte, wo praktisch jeder Wein auch glasweise ausgeschenkt wird.
Uruguayská 19, geöffnet: Mo.–Sa. 11–23 Uhr, www.bluewagon.cz

La Degustation Bohême Bourgeoise in der Altstadt. Luxusrestaurant, vielleicht das beste in Tschechien,
grandiose Weinkarte, absolute Könner in Bezug auf Essen-Wein-Kombinationen.
Haštalská 18, geöffnet: Mo.–So. 18–24 Uhr, www.ladegustation.cz

Le Terroir in der Altstadt. Restaurant auf Michelin-Niveau mit umfassender Weinkarte, auf der echte Schätze und legendäre Flaschen zu finden sind – natürlich nicht ganz billig.
Vejvodova 1, geöffnet: Di.–Sa. 11–23 Uhr, www.leterroir.cz

Vinotheken & Weinläden

Fajnšmekr in Vršovice. Kleiner sympathischer Familienbetrieb mit einem feinen Wein- und Delikatessensortiment, Schwerpunkt: biodynamische und naturnahe Produkte.
Finská 3, geöffnet: Mo.–Fr. 14–20 Uhr, So. 17–20 Uhr, www.fajnsmekr.com

La Bottega di Finestra in der Altstadt. Geschäft und Bistro mit italienischen Delikatessen und einem breiten Angebot phantastischer italienischer Weine, ein Besuch dort kann ins Geld gehen, aber das Feinschmeckerherz lacht.
Mánesova 83, geöffnet: Mo.–Fr. 11–20 Uhr, Sa. 9–16 Uhr, www.labottega.cz

Flavours wine&deli, Ladengeschäft des E-Shops winelink.cz in Vinohrady, ausgestattet mit dem in Tschechien kaum bekannten Enomatic-Gerät, das Weinverkostungen in Selbstbedienungsform ermöglicht.
Záhřebská 29, geöffnet: Mo.–So. 11–21 Uhr, www.flavours.cz

Weinorte und Events

Weinkeller Sklep Grébovka im Park Havlíčkovy sady. Mitten im Stadtteil Vinohrady gibt es einen echten Weinberg, in dessen östlichem Teil sich ein Weinkeller befindet, wo die Trauben verarbeitet werden und man den Wein auch kosten kann.
Havlíčkovy sady, Nähe Rybalková/Charkovská, geöffnet: Fr. und Sa. 14–21 Uhr, www.sklepgrebovka.cz

Weinlesefest Trojské vinobraní. Sympathisches Fest am Schloss Troja und dem Hl.-Klara-Weinberg, wo der Federweißer in Strömen fließt.
Sonntag, 15. September, geöffnet: 11–20 Uhr, U trojského zámku 4/1, Prag 7, www.mctroja.cz

Grand Jour de Champagne. Mehrtägiges Champagner-Fest mit tollen Weinproben, Champagner-Menüs mit Winzern aus der Champagne.
7.–9. November 2013 in verschiedenen Prager Restaurants, weitere Infos unter www.champagne-grandjour.cz