Bitte nicht atmen

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Feinstaub macht krank – besonders betroffen sind die Menschen in Mährisch-Schlesien

11. 11. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Drahoslav Ramík/ČTK

Jedes Jahr im Herbst das gleiche Bild: Ostrava verschwindet unter einer grauen Nebeldecke, Wetterstationen verzeichnen von Tag zu Tag mehr Feinstaub in der Luft, Experten raten den Bewohnern, im Haus zu bleiben. Der Grund: Smog. So auch in der vergangenen Woche, als das Tschechische Hydrometeorologische Institut (ČHMÚ) im Mährisch-Schlesischen Kreis neue Höchstwerte registrierte. In Dolní Lutyně nordöstlich von Ostrava stieg der Anteil des Feinstaubes PM10 – feine Partikel mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometern – am Freitag auf einen Wert von 268 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an und überstieg damit den von der EU vorgegebenen Grenzwert von 50 Mikrogramm um das Fünffache. Im nahen Přerov sah es mit einem Wert von 140 Mikrogramm ähnlich aus. Die Stadt appellierte an die Autofahrer, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und erließ den Bürgern hierfür sogar die Kosten. Auch in den ostböhmischen Kreisen Hradec Králové und Pardubice, dem nordböhmischen Kreis Ústí nad Labem sowie in Zlín und Mittelböhmen wurde Smog vermeldet.

Inzwischen hat sich die Situation entschärft, am Sonntag wurde der Smogalarm in nahezu allen betroffenen Regionen aufgehoben. Doch das Problem bleibt. Aufgrund der sich wiederholenden Inversionswetterlagen sammelt sich immer wieder Feinstaub in der Luft und befördert die Bildung von Smog. Vor allem die Region um Ostrava ist davon betroffen, wo Schwer­industrie und Straßenverkehr die Luft zusätzlich verschmutzen. Negativ wirkten sich aber auch private Haushalte aus, die zu viel heizten, und die dreckige Luft, die von Polen ins Land ströme, meint Ondřej Vlček vom ČHMÚ in Prag.

Die feinen Staubpartikel gelangen Wissenschaftlern zufolge bis in die Lunge und können schwere Atemwegserkrankungen und sogar Krebs verursachen; außerdem belasten sie die Umwelt. „Auch wenn man nur für kurze Zeit einer erhöhten Feinstaubkonzentration ausgesetzt ist, kann das Atemwegsentzündungen hervorrufen und Erkrankungen wie Asthma verschlimmern. Eine langfristige Belastung durch Feinstaub schädigt neben dem Atmungsapparat auch die Herzgefäße und erhöht damit die Sterblichkeit“, so Vlček. Das bestätigt auch eine Studie der Europäischen Kommission, derzufolge im Jahr 2010 etwa 420.000 EU-Bürger vorzeitig an den Folgen verschmutzter Luft starben. Eine erhöhte Feinstaubkonzentration verkürze das Alter der Stadtbevölkerung um durchschnittlich mehr als acht Monate, so die Kommission.

Milliarden für neue Kessel
Im Mährisch-Schlesischen Kreis fordern Lokalpolitiker die Regierung seit Jahren auf, wirksame Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung zu ergreifen. „Vor allem im Bereich häusliches Heizen muss einiges getan werden“, verlangt auch Vlček. Fast 40 Prozent des emittierten Feinstaubs PM10 stammen aus den veralteten Kohlekesseln in privaten Haushalten, wie das tschechische Umweltministerium bekanntgab. Erste Schritte dagegen hat es in diesem Jahr mit dem Programm „Kotlíkové dotace“ (etwa „Zuschüsse für Kessel“) unternommen. Für den Austausch alter Heizkessel will das Ministerium neun Milliarden Kronen (etwa 330 Millionen Euro) aus den Fördertöpfen der EU bereitstellen. Von landesweit 150.000 Kohlekesseln sollen bis zum Jahr 2020 insgesamt 80.000 ersetzt werden.

Sind ungünstige, Smog befördernde Wetterlagen einmal eingetreten, liege es vor allem an den Bürgern, Schadstoffemissionen einzudämmen, sagt Vlček. „Zum Beispiel indem sie das Auto stehen lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, auf ihren Kamin verzichten und keinen Müll verbrennen.“