Bierselig im Sattel

Bierselig im Sattel

Senatoren wollen Alkoholverbot für Radfahrer aufheben – Kirchen laden zum Gottesdienst

31. 8. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: APZ

Radfahrern, die gern leicht berauscht in die Pedale treten, brachte der Donnerstag vergangener Woche feuchtfröhliche Aussichten. Der Senat entschied, dass sie künftig auf Radwegen und Dorfstraßen unter geringem Alkoholeinfluss unterwegs sein dürfen. Laut dem neuen Gesetzentwurf, den etwa 20 Senatoren eingebracht hatten, können Radler bis zu 0,8 Promille Alkohol im Blut haben, ohne dass sie eine Strafe fürchten müssen. Sie dürfen sich also nach etwa einem Glas Wein oder einem Liter Bier unbesorgt auf den Sattel schwingen und in Schlangenlinien nach Hause fahren.

Die Initiative geht auf den stellvertretenden Senatsvorsitzenden Zdeněk Škromach (ČSSD) zurück, der im Vorjahr mit einem ähnlichen Versuch im Parlament gescheitert war. „Wir sind eines der letzten Länder in der EU, in dem für Radfahrer noch immer absolutes Alkoholverbot gilt“, sagt Škromach zu seinem Anliegen. Die Neuerung rechtfertigt der Sozialdemokrat unter anderem mit dem Sinn und Zweck der tschechischen Weinstraßen. Dort sollen Einheimische und Touristen von Weinberg zu Weinkeller radeln. Bisher müssen sie dabei laut Gesetz nüchtern bleiben.
Die neue Grenze wählten die Senatoren nach dem Vorbild Österreichs, wo Radler bis zu 0,8 Promille haben dürfen. Einwänden gegen legitimierte Trunken­heit entgegnet Ivo Valenta (SsČR, Partei der Unternehmer), der sich ebenfalls für die Änderung starkmacht: „Niemand von uns will betrunkene Fahrradfahrer. Und jene, die uns dieses Argument entgegenhalten, sind in meinen Augen nur verblendete, realitätsfremde Puritaner.“

Anders sehen das zahlreiche Verkehrsexperten. „Im vorigen Jahr wurden 783 Unfälle von Fahrradfahrern verursacht, das sind etwa 16 Prozent aller Unfälle auf den Straßen“, so Roman Budský vom „Team für Straßensicherheit“. Ihm zufolge war knapp ein Drittel der beteiligten Radfahrer angetrunken oder betrunken. Laut Budský gehörten Radler zu den am stärksten gefährdeten Verkehrsteilnehmern, da sie stets das Gleichgewicht halten müssten und bei Zusammen­stößen nicht geschützt seien. Unter Alkohol­einfluss gingen sie unnötige Risiken ein, verzichteten häufig auf den Helm und hätten einen längeren Bremsweg, sagt Budský.

Für unberechenbarer als andere Verkehrsteilnehmer halten auch die Senatoren Petr Bratský (ODS) und Zdeněk Brož (KDU-ČSL) die Radfahrer. Sie lehnen die Novelle ab, da das Verhalten der Radler „auf der Straße eher aggressiv und rücksichtslos ist“, wie die beiden meinen. „Auch wenn wir nur 0,8 Promille im Blut zulassen, kann das nicht gut gehen.“

Wer den geplanten Alkohol­pegel überschreitet, muss der Gesetzesinitiative zufolge weiterhin mit einer Geldstrafe rechnen. Sie liegt mit maximal 500 Kronen (rund 18 Euro) allerdings wesentlich unter den bisher 2.500 bis 20.000 Kronen Bußgeld (rund 90 bis 740 Euro). Unterstützt werden die Sena­toren von etwa 5.000 Bürgern, die eine entsprechende Petition unterschrieben haben.

Das tschechische Verkehrs­ministerium spricht sich gegen die Lockerung aus. Über die Novelle muss nun noch das Abgeordnetenhaus entscheiden. Wenn es zustimmt, dann müssen gläubige Radler am 18. September keinen Gewissenskonflikt fürchten. An diesem Tag lädt eine ökumenische Initiative zur Aktion „Auf dem Rad zur Kirche“ ein. Mit der Veranstaltung will sie die Menschen an die Schöpfungsgeschichte und ihre Verantwortung im Umgang mit dem Planeten erinnern. Dem ließe sich wohl kaum besser nachkommen, als mit einem Schluck Messwein. Aber so schnell werden die Abgeordneten wahrscheinlich nicht sein.