Barbarei in Bubny

Barbarei in Bubny

Der Abriss des ehemaligen Bahnhofs hat begonnen. Ein Investor plant auf dem Gelände ein neues Viertel. Der Bürgermeister von Prag 7 möchte die Gebäude erhalten

10. 9. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Patrik Paprika, CC BY-SA 4.0

 

Von Barbarei spricht Bürgermeister Jan Čižinský, wenn er berichtet, was gerade in seinem Stadtteil geschieht. In Prag 7, am ehemaligen Bahnhof Bubny habe das Unternehmen CPI Property Group am Montag begonnen, historische Gebäude zu zerstören, teilte er am selben Tag mit. Firmensprecher Jan Burian bestätigte das. Er sieht daran aber nichts Verwerfliches. „Die Gebäude sind in einem katastrophalen Zustand. Sie zerfallen und werden von Obdachlosen und Drogenabhängigen genutzt“, so Burian. Vertreter des Stadtteils wehren sich vor allem gegen den Plan, die ehemalige Werkstätte der Staatsbahn abzureißen, die sie als technisches Denkmal sehen.

Eigentümer des ehemaligen Bahnhofs ist die Immobiliengruppe Orco Property Group, die auf ihrem Grundstück ein 27 Hektar (knapp 40 Fußballfelder) großes neues Stadtviertel errichten wollte. Vorgesehen waren ursprünglich Luxus- und Standardwohnungen, Büroräume, Schulen, medizinische Einrichtungen und ein Universitätscampus. Zuletzt geriet die Firma in finanzielle Schwierigkeiten. Das Projekt Praha-Bubny schoben die Verantwortlichen deswegen immer wieder auf, auch für den Abriss fehlte das Geld. Dann änderten sich jedoch die Besitzverhältnisse im Unternehmen, das nun von Radovan Vítek gesteuert wird. Orco beauftragte Víteks Firma CPI als Bauträger mit dem Projekt Bubny.

Die hat es nun eilig. „Der Bescheid, der den Abriss genehmigt, wurde vor fünf Jahren ausgestellt und mehrmals verlängert – zuletzt im Dezember 2013. Ende des Jahres läuft er ab“, sagt der CPI-Sprecher. Das Unternehmen wolle die Gebäude stückweise zerlegen, der Abbruch soll bis zu drei Monate dauern. Der Bürgermeister hat andere Pläne für das Gelände, auf dem der Bahnhof Bubny 1868 den Betrieb aufnahm und zu dem auch ein Depot, Werkstätten und ein Lokschuppen gehörten. Insgesamt bot die Anlage, die den heutigen Masaryk-Bahnhof entlasten sollte, Platz für 140 Züge. Renoviert wurde sie zuletzt Ende der fünfziger Jahre, stillgelegt 2000; seitdem verfällt die Anlage.

Bubny biete eine einmalige Gelegenheit, Altes und Neues zu verbinden, findet Čižinský, der für die Bürgerinitiative „Praha 7 sobě“ ins Rathaus gewählt wurde, und erinnert daran, dass der Bahnhof eine Zeit lang als Kulturdenkmal galt. Das Areal zwischen der U-Bahn-Station Vltavská und dem Bahnhof Holešovice zählt zu den 15 großen Entwicklungsgebieten der Hauptstadt. Bis die Stadtverordneten entschieden haben, wie es künftig genutzt wird, gilt ein Baustopp.

Die Oberbürgermeisterin hat Čižinský im Kampf gegen die Zerstörung auf seiner Seite. Sie wolle versuchen, den Investor umzustimmen, der nun einen mehrere Jahre alten Abrissbescheid nutzen will, sagte Adriana Krnáčová (ANO) am Montag. „Ich möchte dieses historisch wertvolle Gebäude für Prag erhalten.“ Hilfe suchten die beiden Stadtpolitiker auch auf höchster Ebene. Am Montag trafen sie sich mit Finanzminister und ANO-Chef Andrej Babiš. Wie CPI auf das gemeinsame Gesuch reagierte, zumindest einen Teil der Gebäude zu erhalten, war bei Redaktionsschluss am Dienstag noch nicht bekannt.

Burian hatte aber bereits zuvor betont, dass nur ein kleiner Teil – Säulen im Inneren der Gebäude – unter Denkmalschutz stünde. Diese werde das Unternehmen erhalten und an Experten übergeben, wie vor einigen Jahren vereinbart, so der Firmensprecher. Der General­direktor der Orco Property Group Jiří Dedera erklärte, der Abbruch erfolge im Einklang mit bewilligten Plänen. „Der Zustand der Immobilie war schon lange nicht mehr tragbar, aber der Geist des Ortes wird nicht verschwinden, weil wichtige architektonische Elemente erhalten bleiben“, versprach er. 

Für immer verschwunden: Welche Bauwerke ihren platz in der Hauptstadt räumen mussten

Der Bahnhof Bubny wäre nicht der erste historische Bau, der für immer aus dem Prager Stadtbild verschwindet – eine Auswahl: Ende des 19. Jahrhunderts müssen in Folge der Assanierung der Josefstadt und eines Teils der Neustadt fast 470 Häuser weichen, außerdem ein großer Teil der damaligen Judenstadt. Es entsteht die moderne Pariser Straße (Pařížská třída).

In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts stößt die Umgestaltung des Stadtteils Žižkov auf Unverständnis bei der Bevölkerung. Kleine Häuser werden durch Plattenbauten ersetzt, nahe dem bereits weitgehend zerstörten jüdischen Friedhof entsteht der Fernsehturm, der Kritikern als hässlichster Bau der Stadt gilt.

Im Jahr 1985 wird der Bahnhof Těšnov gesprengt. Das Verschwinden des bekannten Gebäudes im Neorenaissance-Stil wird zum Symbol für das Vorgehen der Behörden, die keine Rücksicht auf den historischen Wert von Bauwerken nehmen.

Am Platz der Republik (Náměstí Republiky) werden 2007 die ehemaligen Kasernen umgebaut. Erhalten bleiben nur die Fassaden, hinter denen das Einkaufszentrum Palladium entsteht.

Das Einkaufszentrum Diamant am unteren Ende des Wenzelsplatzes verschwindet 2008, ebenso die Ringhoffer-Werke in Smíchov, eines der wichtigsten Industriedenkmäler des Landes.

Das denkmalgeschützte Stadion Štvanice, in dem die Tschechoslowakei 1947 ihren ersten WM-Titel im Eishockey holte, wird 2011 dem Erdboden gleichgemacht. Als es 1932 eröffnete, war es das erste im Land mit Kunsteis; 2000 wurde es zum Kulturdenkmal ernannt.