Aus dem Wasser ins All

Aus dem Wasser ins All

Der Taucher Matyáš Šanda will in den Weltraum fliegen. In Prag baut er an einer Forschungs- und Trainingsstation für Astronauten

11. 12. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Hidden Universe/MacGillivray Freeman Films

Matyáš Šanda will ins Weltall. „Nach oben“ zu kommen sei sein Ziel, sagt er und schaut kurz auf den grauen Dezemberhimmel. Dann blickt er zurück nach unten. Auf sein Projekt. Der Weg nach oben führt für den 38-Jährigen in die Tiefe. Schon als kleiner Junge habe er Kosmonaut werden wollen. Dass er seinen Lebensunterhalt jetzt als Berufstaucher verdiene, sei kein Widerspruch: „Die Bedingungen unter Wasser sind denen im Weltraum sehr ähnlich. Wenn ich auf dem Grund eines Gewässers arbeite, stelle ich mir immer vor, dass ich gerade im All bin.“ Um tatsächlich dorthin zu gelangen – am liebsten möchte Šanda auf den Mond – investiert er seit einigen Jahren jede Krone und jede freie Minute in sein Projekt namens Hydronaut.

Als Hydronauten bezeichnet der Taucher eine Forschungs- und Trainingsstation, in der Astronauten unter Wasser für ihren Aufenthalt im Weltall trainieren können: Eingeschlossen auf engstem Raum, in einer Umgebung, in der sie nicht ohne technische Geräte überleben können, ohne Notausgang. Eine solche Station baut der Prager gerade in Radotín am südlichen Rand der Hauptstadt. Dort hat er auf einem Firmengelände direkt am Bahnhof ein „Zentrum für Weltraumforschung“ gegründet. „Wenn ich einmal fertig bin, habe ich es nicht weit zu den Gleisen und zur Moldau“, sagt der Hobbybastler. Der Hydronaut könne so ganz einfach transportiert werden, „zum Beispiel nach Hamburg oder irgendwohin“. Ganz einfach natürlich nicht – für seine tonnenschwere Erfindung bräuchte Šanda dennoch einen Kran.

Bis es soweit ist, liegt noch eine Menge Arbeit vor ihm. Vieles muss er selbst ausprobieren, weil es nirgendwo eine Anleitung zum Bau einer Forschungsstation unter Wasser gibt. Das beginnt schon beim Anstrich der Außenwände, für die er eine Farbe verwendet, die auch bei Eisbrechern zum Einsatz kommt, weil sie die ökologischen Vorgaben für einen längeren Einsatz im Meer erfüllt. Vor allem aber muss er Geld sammeln. Er finanziert sein Projekt komplett aus eigener Tasche, deshalb geht es nur langsam voran. „Blockweise“ nennt das Šanda, der auf dem Papier obdachlos ist und „mal hier, mal da“ wohnt.

Zwar hat er versucht, Geldgeber zu finden, aber die wollten einen „Businessplan“ von ihm sehen. „So etwas kann man bei einem solchen Projekt nicht haben“, ist der Berufstaucher überzeugt. Deswegen aufzugeben kam für ihn nicht in Frage. „Ich mache das für uns alle; wenn ich es schaffe, dann kann es jeder schaffen“, erklärt Šanda und versichert, dass er an die Kraft eines festen Willens glaube. Er trägt Dreitagebart und Wollmütze, die er auch in seinem Büro nicht abnimmt. Drinnen ist es ohnehin kälter als draußen, als Arbeitsraum dient eine ehemalige Garage ohne Heizung.

An den Wänden hängen Bilder aus dem Weltall und eine Karte vom Mond zwischen Konstruktionsplänen für Unterwasser-Stationen in verschiedenen Größen. Šanda hat sie selbst entworfen, er hat Architektur und Design studiert. Einen Abschluss habe er nicht, denn auf Titel lege er keinen Wert. In der Branche habe er für namhafte Firmen gearbeitet, aber ein 90-Kilo-Mann wie er könne nicht den ganzen Tag vor einem Computer sitzen, winzige Tasten drücken und auf einen Bildschirm starren.

Platz für drei
Lieber arbeitet er mit den Händen, bastelt im Unterstand neben dem Büro an „H03 Deeplab“. Es ist der dritte Entwurf seines Hydronauten und der erste, den er umsetzt. Die Pläne für H01 und H02 warten in der Schublade, weil sie zu groß sind. H03 soll ein Prototyp werden. Bisher sieht er aus wie ein Tanklaster ohne Fahrgestell: „Darin ist Platz für eine dreiköpfige Besatzung“, erklärt der Taucher. Er habe bereits zwei Männer gefunden, die sich mit ihm auf ein Experiment unter Wasser einlassen würden. Auch die erforderlichen medizinischen und psychologischen Tests habe er bereits bestanden. Ärzte hätten ihnen geraten, sich vor dem ersten Aufenthalt in der Station eine Woche gemeinsam im Büro einzusperren – eine Trockenübung für das Zusammenleben auf engstem Raum. Denn Privatsphäre bietet das Unterwasserlabor nicht. Nur in der Dusche wären die Taucher allein. Diese wird sich im zweiten Teil der Station befinden, der außerdem als Eingangsbereich dient. Dort soll auch ein Teil der technischen Ausstattung untergebracht und die Sauerstoffversorgung geregelt werden. Insgesamt soll H03 einmal rund 40 Tonnen wiegen und der Besatzung etwa 20 Kubikmeter Platz bieten.

In den tschechischen Medien hat der Taucher mit seinem Traum vom Weltall immer wieder Aufmerksamkeit erregt, ein Radiosender hat sogar geholfen, Geld für das Projekt zu sammeln. Dabei kamen etwa 300.000 Kronen, umgerechnet gut 10.000 Euro, zusammen. Die Gesamtkosten für H03 schätzt Šanda allerdings auf das Zehnfache. Erstmals öffentlich vorgestellt hat er seine Pläne bereits vor vier Jahren, als ein internationaler Raumfahrtkongress in Prag stattfand. Das Fachpublikum sei begeistert gewesen, auch die Europäische Weltraumorganisation ESA habe Interesse an seinen Ideen, behauptet Šanda. Sie verfüge noch nicht über ein Unterwasserlabor wie er es im Sinn hat. Auf finanzielle Unterstützung der europäischen Behörde hoffte er aber vergeblich. Auch von tschechischer Seite kam nichts: In Raumfahrtprojekte werde hierzulande nicht investiert, meint Šanda.

Seinen Enthusiasmus hat er dennoch nicht verloren. Sollte sich ein Investor finden, könnte er innerhalb von zwei Monaten fertig sein. Am liebsten wäre ihm, das Labor würde dann in einem heimischen Gewässer getestet – es könne später auch Astronauten aus dem Ausland zum Training nach Tschechien locken. Und wenn doch nichts wird aus dem Hydronauten und dem Traum vom Weltall? „Dann“, sagt Šanda ohne zu überlegen, „habe ich mich wenigstens nicht gelangweilt.“