Annäherung an Berlin und Budapest

Annäherung an Berlin und Budapest

Das Nationaltheater präsentiert sein Programm für die neue Spielsaison

28. 8. 2014 - Text: Stefan WelzelText: sw/ef; Foto:

Mit einer Prise Pathos und einem stolzen Lächeln haben der Direktor des Prager Nationaltheaters Jan Burian und Kulturminister Daniel Herman (KDU-ČSL) den Medien am Montag die Eckdaten für die neue Spielzeit vorgestellt. Auf dem Programm stehen 23 neue Produktionen: Theaterliebhaber erwarten elf Opern-, vier Ballett- sowie acht Schauspiel-Premieren. Außerdem steht dem größten Theaterhaus des Landes in der Saison 2014/15 ein höheres Budget zur Verfügung. Die Mitarbeiter dürfen sich auf durchschnittlich 3,5 Prozent mehr Gehalt freuen.

„Wir möchten europäisches Top-Niveau erreichen, um uns mit den besten Theatern in Berlin oder Budapest messen zu können“, so Burian. Der 55-jährige Direktor weiß um die führende Rolle seines Hauses in der tschechischen Bühnenlandschaft und den damit verbundenen Anspruch. „Die Messlatte für gute Produktionen wird bei uns hoch angesetzt, das führt automatisch zu schärferer Kritik.“ Dieser will man nun mit einem abwechslungsreichen Premieren-Angebot sowie einer leichten Personalaufstockung begegnen. Der Kulturminister machte seinerseits deutlich, wie wichtig ihm eines der herausragendsten Aushängeschilder tschechischer Kultur ist. „Die Gehaltserhöhungen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, auf diesem Weg müssen und wollen wir weitergehen“, so Herman.

Von Fibich bis Shakespeare
Den Premieren-Auftakt macht am 9. Oktober Zdeněk Fibichs „Der Fall von Arkun“ („Pád Arkuna“). Die Oper des Dvořák-Schülers war zuletzt vor über 80 Jahren im Nationaltheater zu sehen. Fibichs monumentale Tragödie ist ein typisches Romantik-Stück mit zahlreichen dramaturgischen Anleihen aus dem Werk Richard Wagners. Es wartet also viel emotional aufgeladener Pomp auf den Zuschauer. Regie führte der erst 39-jährige Shootingstar der tschechischen Regie-Gilde Jiří Heřman. Am Dirigentenpult steht der Amerikaner John Fiore.

Zu den weiteren Höhepunkten in der Sparte Oper zählen Dimitri Schostakowitschs musikalische Satire „Antiformalistischer Rajok“ (Regie: Sláva Daubnerová) kurz vor Weihnachten in der Neuen Bühne (Nová scéna) sowie Modest Mussorgskis „Boris Godunow“ im Gebäude des Nationaltheaters an der Moldau, inszeniert von Linda Keprtová (Premiere am 26. März 2015). Freunde moderner Opern dürfen sich keinesfalls Leoš Janáčeks Dreiakter „Aus einem Totenhaus“ („Z mrtvého domu“) unter der Regie von Daniel Špinar entgehen lassen. Das Stück wird ab dem 14. Mai kommenden Jahres aufgeführt.

Zu den herausragendsten und spannendsten Ballett-Neuinszenierungen der Saison zählt Ludwig Minkus’ „La Bayadère“, inszeniert vom jungen mexikanischen Choreografen Javier Torres (ab 20. November in der Staatsoper). Unkonventionelles Ballett erwartet den Besucher hingegen bei einem Abend mit dem israelischen Choreografen Ohad Naharin. Der 62-Jährige aus Tel Aviv ist weltbekannt für die Entwicklung einer neuartigen Bewegungssprache, die er in seinen „Deca Dance“-Stücken zum Ausdruck bringt (Premiere am 4. Juni 2015 in der Neuen Bühne).

Schauspiel-Höhepunkte stellen, zumindest aus internationaler Sicht, William Shakespeares „Othello“ (Premiere am 18. Dezember im Ständetheater) sowie Peter Morgans „The audience“ (19. März 2015, ebenfalls im Ständetheater) dar. In der Kategorie Drama ist für alle dem Tschechischen nicht Mächtigen jedoch Vorsicht geboten. Es ist ratsam, sich vor dem Kauf der Tickets darüber zu informieren, welche Aufführungen mit englischen Übertiteln gezeigt werden. So oder so darf das einheimische wie internationale Publikum gespannt sein, ob das Nationaltheater-Team dem eigenen Anspruch auf europäisches Spitzenniveau standhalten wird.