Gefragte Trauben

Gefragte Trauben

Wein aus heimischer Produktion liegt im Trend

8. 9. 2016 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: APZ

Die Zahl erstaunt – vor allem, wenn man die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre betrachtet: 18.500 Weinbauern sind in Tschechien offiziell registriert. Das ist im Bericht des Landwirtschaftsministeriums über den heimischen Weinhandel im Jahr 2014 nachzulesen. Beim EU-Beitritt Tschechiens 2004 lag die Zahl noch deutlich unter 9.000. Daraus zu schließen, der Durchschnittstscheche sei nun vom Bier- zum Weintrinker geworden, wäre übertrieben. Doch der Rebensaft gewinnt hierzulande an Bedeutung, auch wenn Produktion und Export im internationalen Vergleich auf einem bescheidenem Niveau bleiben.

„Wein wird immer beliebter und läuft Bier und Schnaps langsam den Rang ab“, sagt Pavel Krška, Direktor des Natio­nalen Weinbauzentrums im südmährischen Valtice (Feldsberg). Neueste Zahlen bestätigen Křska. Gönnte sich ein Tscheche 2004 noch durchschnittlich 17 Liter Wein im Jahr, waren es zehn Jahre später schon mehr als 20. Das scheint im Vergleich zum Bierkonsum pro Kopf ziemlich wenig (der liegt bei 140 Liter) – ist aber dennoch Ausdruck eines Trends. Vor der Wende galt Weingenuss 40 Jahre lang eher als bourgeois. Die traditio­nelle Weinproduktion verkam in der staatlich organisierten Planwirtschaft zu einem Mini-­Wirtschaftszweig.

Die Zentren des tschechischen Weinanbaus befinden sich heute wie damals in Südmähren, vor allem in der Umgebung von Znojmo, Mikulov, Velké Pavlo­vice und Uherské Hradiště. In diesen vier Regionen an der Grenze zu Österreich und der Slowakei liegen knapp 17.000 Hektar Weinberge – das sind rund 95 Prozent des Anbau­gebietes der gesamten Republik. Nur 600 Hektar befinden sich in Böhmen. Der Großteil davon befindet sich nördlich von Prag nahe Mělník und Litoměřice.

Rekordjahr 2013
Insgesamt kamen in Tschechien seit 2005 über 2.500 Hektar neue Anbaufläche hinzu. Das entspricht einem Plus von fast 15 Prozent. Nachbarländer wie die Slowakei und Österreich produzieren auf über 20.000 beziehungsweise 45.000 Hektar aber deutlich mehr Wein. Waren es in Tschechien in den vergangenen Jahren durchschnittlich zwischen 500.000 und 700.000 Hekto­liter, sind es in Österreich rund drei Millionen.

Trotzdem gewinnt der Weinbau in Tschechien immer mehr an Bedeutung. Tibor Nyitray, Präsident des Winzerverbandes, schätzte die Zahl der in der Branche Beschäftigten im Gespräch mit der Tageszeitung „Pražský deník“ 2015 auf bis zu 30.000. Und der Tschechische Weinbaufonds bestätigte im vergangenen Jahr, dass er von 2015 bis 2020 insgesamt 430 Millionen Kronen (rund 16 Millionen Euro) an den hiesigen Weinbau­sektor verteilen werde.

Auch die Daten des Tschechischen Statistikamtes weisen auf konstant steigende Produktions- und Absatzzahlen hin. Wurde 2005 noch Wein im Wert von 154 Millionen Kronen (5,7 Millionen Euro) ins Ausland verkauft, waren es im vergangenen Jahr 637 Millionen (23,6 Millionen Euro). Rekordjahr in dieser Statistik war 2013. Produziert wurden damals mehr als 74.700 Tonnen Wein. Rund die Hälfte konsumierten die Tschechen selbst.

An der Spitze der Abnehmerländer steht wie beim Bierexport die Slowakei, gefolgt von Polen und der Schweiz. Im Ausland findet man tschechischen Wein allerdings kaum außerhalb spezialisierter Geschäfte.

Den klimatischen Bedingungen entsprechend macht der Anbau von Weißwein mit rund zwei Dritteln den Löwenanteil aus. Doch Rotwein und Rosé (28 und neun Prozent) sind auf dem Vormarsch. Zu den Spitzen­produkten, die auf internationalen Messen mithalten können, gehören Rebsorten wie Riesling, Grüner Veltliner und Silvaner.

„Es sind meist trockene und würzige Weine, die hier zu guter Reife gelangen“, erklärt Pavel Krška vom Weinbau­­zen­trum. Dieses Jahr bereitete den tschechischen Winzern Frost bis in den Mai hinein große Sorgen. Der Winzerverband meldete, dass rund ein Drittel der Anbaufläche davon betroffen sei. Für den Jahrgang 2016 gibt sich Krška dennoch vorsichtig optimistisch: „Die Bedingungen waren insgesamt trotzdem ganz gut.“ Der Sommer entschädigte für den schlechten Start im Frühling.

Krška verweist außerdem auf den wachsenden Markt für Bio-Weine. „Viele neu gezüchtete Sorten eignen sich bestens für den ökologischen Anbau.“ Vor allem in Prag finden immer mehr Bio-Weine ihre Anhänger. In den Vinotheken und bei Degustationen macht sich der Aufschwung bemerkbar. Inzwischen feiern junge Städter Bioprodukte bei sogenannten Wine Pop-ups mit Winzern aus der Region. Dazu legen DJs Musik auf und noble Restaurants liefern das Catering. So tragen die Bio-Winzer wesentlich dazu bei, dass der heimische Traubensaft auch jenseits von Mähren immer präsenter wird.