Verhaltener Jubel

Viktoria Pilsen holt den dritten Meistertitel und widmet ihn einem unheilbar Kranken

20. 5. 2015 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: FC Viktoria Pilsen

Es fiel den Pilsener Spielern am vergangenen Montagabend oft etwas schwer, ihrer Freude angemessen freien Lauf zu lassen. Inmitten des glückseligen Taumels von Mannschaft und Fans mischten sich nach dem 2:0-Sieg gegen den FC Vysočina Jihlava immer wieder Momente großer Nachdenklichkeit und Trauer. Zwar hatte Viktoria Pilsen soeben erst zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte die tschechische Meisterschaft gewonnen, doch unter den Jubelnden befand sich auch Viktorias Verteidiger Marian Čišovský. Der 35-jährige Slowake war bis Mitte der Saison noch Stammspieler, ehe bei ihm eine unheilbare Nervenkrankheit diagnostiziert wurde. Er und seine Teamkollegen trugen allesamt das ihm gewidmete Meister-T-Shirt mit der Aufschrift „Titul pro Čišu“.

Bis es zur Feier mit trauriger Fußnote kam, gab es für das Team von Trainer Miroslav Koubek ein unerwartet hartes Stück Arbeit zu erledigen. „Ich wusste, dass es schwierig wird. Der letzte Schritt vor dem großen Ziel ist nie einfach. Aber es ist eine wahre Freude, mit diesem Team zu arbeiten. Wir haben Moral bewiesen und gezeigt, dass wir über viel Erfahrung verfügen und dem Druck standhalten können“, zog der 63-Jährige Bilanz. Für den gebürtigen Prager war es der erste Meistertitel als Chefcoach. Und gegen den Tabellen-Neunten wurden die erwähnten Tugenden auch gefordert. Jihlava zeigte eindrücklich, warum es in dieser Saison zeitweise sogar zum erweiterten Kreis der Anwärter auf einen Europapokal-Platz gehörte und nicht – wie viele Experten es erwarteten – zu den Abstiegskandidaten. Die Elf von Luděk Klusáček kombinierte sich in der ersten Halbzeit mehrmals gefährlich durch Pilsens Abwehr, blieb im Abschluss aber zu unkonzentriert.

Horváths Karriereende

So reichte dem neuen Meister eine Leistungssteigerung kurz vor der Pause, um die Partie zu entscheiden. Roman Hubník reagierte in der 38. Minute nach einem spektakulären Reflex von Jihlava-Torhüter Jan Hanuš am schnellsten und verwertete den Abpraller zum 1:0. Allerdings ging der Führung eine Abseitsposition des aufgerückten Verteidigers voraus. Nur vier Minuten später glückte František Rajtoral das 2:0.

In der zweiten Halbzeit sank das Spielniveau beträchtlich. Viktoria brauchte den Vorsprung nur zu verwalten und Jihlava fand gegen defensive Pilsener kein Rezept. Einziger Höhepunkt war die Einwechslung des ehemaligen Kapitäns Pavel Horváth in der 87. Minute. Der 40-Jährige absolvierte seine letzte Saison als aktiver Spieler und wechselt im Sommer definitiv auf die Trainerbank, wo er Koubek assistieren wird. Zuletzt fehlte er dem Team verletzungsbedingt.

„Ich denke, ich habe meinen Anteil am Gewinn der Meisterschaft erbracht, auch wenn ich gegen Ende der Saison nicht mehr oft auf dem Platz stand. Einen besseren Abschluss meiner Sportlerkarriere gibt es kaum“, so Horváth. Als der Mittelfeldregisseur 2008 zusammen mit dem heutigen Nationaltrainer Pavel Vrba zu den Westböhmen stieß, galt Viktoria Pilsen als graue Maus der Liga und sogenannte Lift-Mannschaft. Mit Horváth kam der Erfolg zu den Rot-Blauen. Das vergaßen auch die 11.500 Fans in der Doosan-Arena nicht, als sie „ihren“ Kapitän mit überwältigendem Applaus und minutenlangen Sprechchören feierten.

Doch auch Horváth dachte in jenen Minuten nach dem Schlusspfiff zunächst an seinen kranken Teamgefährten. „Der Titel gehört Marian, nichts anderes ist in unseren Köpfen.“ Dieser bedankte sich bei der Siegerehrung bei Kollegen und Fans und sprach von „den emotionalsten Momenten in meinem Leben“. Der Meistertitel war bei vielen Anwesenden plötzlich ganz weit weg. „Ich habe 32 Jahre auf diesen Augenblick gewartet“, so Trainer Koubek, „doch wenn ich den Titel gegen die Gesundheit Marians eintauschen könnte, würde ich das sofort tun.“ Pilsen feiert eine sportlich historische Stunde, und ist doch endlos traurig.