Morde in Vitrinen

Morde  in Vitrinen

Das Prager Polizeimuseum informiert über spektakuläre Verbrechen und Fahndungsmethoden

11. 6. 2014 - Text: Maria SilenyText und Foto: Maria Sileny

 

Das rostige Fass lag einst tief auf dem Grund des Stausees Orlík, 80 Kilometer südlich von Prag. Heute steht es in einer Vitrine des Prager Polizeimuseums und dokumentiert ein Verbrechen, das in den neunziger Jahren ganz Tschechien erschüttert hat. Damals, als Taucher im Auftrag der Polizei das Fass aus dem Wasser bargen, enthielt es eine zerstückelte Leiche, die, damit sie sich auflöst, mit Natronlauge übergossen war. Noch zwei weitere Leichen zogen die Taucher im Sommer 1995 aus dem Stausee, eine ebenfalls im Fass, eine im Drahtgewebe eingebettet. Die grausigen Funde halfen, fünf Täter zu entlarven, die aus purer Geldgier kaltblütig nach Plan gemordet hatten. In einem jahrelangen Prozess wurden ihnen anschließend fünf Morde nachgewiesen.

Das Verbrechen ist eines der Kriminalfälle, an die das Museum der Polizei der Tschechischen Republik in einer Dauerausstellung erinnert. Weniger gruselig sind etwa die Verkehrsabteilung, die Ausstellung der Polizeiuniformen oder der Sicherheitsanlagen. Doch wer die Museumsräume betritt, muss darauf gefasst sein, Mord, Betrug und Diebstahl zu begegnen. Zugleich erfährt der Besucher, mit welchen Methoden die Polizei Verbrechern auf die Schliche kommt – auch wenn nicht alle der präsentierten Fälle aufgedeckt werden konnten.

Wie der wohl berühmteste in der Geschichte der Tschechoslowakei – der Mord an der Prostituierten Otýlie Vranská, begangen im Jahr 1933. Ein aufgeklappter Koffer in einer der Museumsvitrinen erinnert daran. In dem Koffer, der damals herrenlos von Prag nach Bratislava reiste, fanden Bahnangestellte Kopf und Gliedmaßen der ermordeten 22-Jährigen. Im zweiten Koffer, der im ostslowakischen Košice entdeckt wurde, war ihr Rumpf unterwegs. Trotz jahrelanger intensiver Fahndung, die von einer außerordentlichen Aufmerksamkeit der Medien begleitet wurde, gelang es nicht, den Täter zu finden. Wer hat Otýlie Vranská getötet? Wer hat ihre Körperteile auf Reise geschickt? Dieses Rätsel bleibt wohl für immer ungelöst.

Mit modernen Methoden, wie der DNA-Analyse, hätte man den Mörder womöglich überführen können, dafür hätten seine biologischen Spuren ausreichend Material ergeben, wie Kriminalisten heute wissen. Im Prager Polizeimuseum können sich Besucher derzeit in einer Sonderausstellung über die Entwicklung der kriminalistischen Wissenschaft und Forschung informieren. Neben der DNA-Analyse wird zum Beispiel gezeigt, wie die Polizei mit Hilfe der Ballistik Geschosse untersucht oder wie sie mittels Insekten den Zeitpunkt des Todes zu ermitteln versucht. Die vorgestellten Methoden der Kriminalistik veranschaulichen Berichte über aufgeklärte Kriminalfälle.

Einen besonders spektakulären konnten Experten mit Hilfe von physikalisch-chemischen Untersuchungen aufdecken. Es handelt sich um einen Kunstfälschungsskandal, der in Tschechien seinesgleichen sucht: In den Jahren 2003 bis 2004 malte der Autodidakt Libor Prášil Bilder im Namen bedeutender tschechischer Künstler aus dem 19. und 20. Jahrhundert, darunter Jan Zrzavý und Kristian Kodet. Prášil arbeitete im Auftrag eines Kunsthändlers, der mit den gefälschten Bildern einen Profit in zweistelliger Millionenhöhe erzielte. Der dritte im Bunde war ein Sachverständiger, der falsche Echtheitszertifikate lieferte. Prášils Fälschungen waren so vollkommen, dass sogar renommierte Kunstkenner sie nicht erkannten. Nicht einmal der Maler Kristian Kodet selbst konnte seine eigenen Originalarbeiten von den gefälschten Bildern unterscheiden. Erst nachdem die Materialien geröntgt und mit UV-Licht durchleuchtet wurden, konnten die Fälschungen nachgewiesen werden. Eine Auswahl der gefälschten Gemälde, die das Kriminologische Institut zu Forschungszwecken erworben hat, können Besucher des Prager Polizeimuseums bis Ende November betrachten.

Gestohlen und zurückgebracht
Das Museum ist in einem ehemaligen Kloster angesiedelt. Der gotisch-barocke Gebäudekomplex mit Kirche und Park, der Karlshof (Karlov), liegt am Fuße der Nusle-Brücke (Nuselský most) nördlich des Vyšehrad. Im 14. Jahrhundert ließ Karl IV. die Anlage für Augustinermönche errichten. Nachdem im 18. Jahrhundert der Orden aufgelöst wurde, diente das ehemalige Kloster zunächst als Lager, später als Krankenhaus. Seit den sechziger Jahren, nachdem das damalige Innenministerium das Anwesen für sich gewann, befindet sich dort ein Polizeimuseum, das zunächst ideologisch gefärbte Informationen vermittelte.

Seit 1991 hat es die Aufgabe, Besucher über die Sicherheitspolitik des tschechischen Staates neutral zu informieren, wie Museumsleiterin Marcela Machutová erklärt. Unterstützt von einem 28-köpfigen Team verwaltet sie das Areal und steuert den Museumsbetrieb. Wäre mehr Geld da, sagt sie, würde sie sofort Aufzüge einrichten lassen und die Toilettentüren vergrößern, um Menschen mit Behinderung den Besuch der Ausstellungsräume zu erleichtern. Etwa 60.000 Besucher zählt das Museum im Jahr, darunter viele Kinder und Jugendliche. Für sie ist ein begleitendes Programm bestimmt, das zum Beispiel über die Gefahren des Drogenkonsums oder das richtige Verhalten im Straßenverkehr aufklärt. Täglich finden Vorträge und Aktionen statt.

Schulklassen und Eltern mit Kindern bewegen sich durch die weitläufigen Räume des ehemaligen Klosters. So auch ein Elfjähriger, der mit gezücktem Smartphone durch einen Seitengang eilt, um „die Gasmasken zu fotografieren“, wie er Freunden zuruft. Die sakralen Skulpturen, an denen er vorbeiläuft, scheinen ihn nicht zu interessieren. Unbewegt, schweigend stehen Engel und Heilige in Vitrinen. Könnten sie sprechen, würden sie wohl davon erzählen, wie sie aus tschechischen Kirchen entwendet, ins Ausland gebracht und dort zum Kauf angeboten wurden. Mit Hilfe der Kriminalpolizei fanden sie wieder zurück in die Heimat, oft nach vielen Jahren.

So auch die Statue des Heiligen Nepomuk aus dem 18. Jahrhundert. 1996 wurde sie aus einer Kirche nahe Litoměřice geklaut, 2011 als Kaufangebot bei eBay wiederentdeckt. Oder die zwei Putten, die ursprünglich den Altar in einer Kirche bei Chrudim in Ostböhmen schmückten. 1999 verschwanden sie dort, um später in einem Münchner Antiquitätenladen wiedergefunden zu werden. In der Ausstellung „Víra – odcizená a navrácená“ („Der Glaube – entwendet und zurückgebracht“), zu sehen bis Ende August, dokumentiert das Polizeimuseum diese Kehrseite der Grenzöffnung nach dem Fall des Kommunismus. Zwischen 1990 und 2013 wurden in Tschechien knapp 11.000 Kunstwerke geraubt. Und manche auch unwiederbringlich zerstört.

Zwischen den Vitrinen steht ein Holzkasten mit Glasdeckel. Zwei bleiche Engel liegen dort, eingebettet in Herbstlaub. Ihre Köpfe haben Sprünge, Arme und Füße sind abgeschlagen. Auch sie sind Opfer eines Verbrechens.

Muzeum policie České republiky (Ke Karlovu 1, Prag 2), geöffnet: täglich außer montags 10 bis 17 Uhr,
www.muzeumpolicie.cz

Sonderausstellungen:

„Ve víru kriminalistické vědy a výzkumu“ (Im Wirbel der kriminalistischen Wissenschaft und Forschung), bis 30. November

„Víra – odcizená a navrácená“ (Der Glaube – entwendet und zurückgebracht), bis 31. August

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