Präsidiale „Erpressung“

Unternehmen sollen in Zemans „Stiftungsfonds“ einzahlen, wenn sie bei Auslandsreisen dabei sein wollen

2. 10. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: David Sedlecký

Tschechiens Präsident Miloš Zeman gilt zwar als ein Meister des Bonmots, der geistreichen, witzigen Bemerkung. Doch wenn es sich, wie der ČSSD-Vorsitzende Bohuslav Sobotka meinte, tatsächlich um den Versuch eines solchen gehandelt hatte, so war dieser gründlich misslungen. Zumindest gemessen an den Reaktionen, die Zemans Ankündigung auslöste, er werde alle Unternehmensvertreter, die ihn zukünftig bei Reisen ins Ausland begleiten wollen, dazu „erpressen“, in seinen „Stiftungsfonds zur Begleichung der Staatsschulden“ einzuzahlen. Denn Wirtschaft und Politik zeigten sich alles andere als amüsiert.

Aber der Reihe nach. Im Juni dieses Jahres gründete Miloš Zeman, ein Versprechen aus seinem Präsidentschaftswahlkampf einlösend, seinen „Stiftungsfonds zur Begleichung der Staatsschulden“. Um Wohlhabende zu motivieren, darin einzuzahlen, überweist er selbst monatlich ein Drittel seines Gehalts, also 60.000 Kronen (etwa 2.400 Euro), in diesen Fonds. Anlässlich eines Treffens mit den ersten Spendern vergangene Woche beklagte sich Zeman darüber, dass noch keine Unternehmen eingezahlt hätten. Auf seinem Facebook-Profil machte er sich dann richtig Luft: „Wenn dann aber diese Leute ankommen und sagen ,ich möchte in ihrer Unternehmerdelegation dabei sein‘ oder ,ich möchte, dass Sie ein gutes Wort für uns einlegen‘, dann werde ich zum Mittel der Erpressung greifen, denn die Staatsschulden sind unser aller Schulden“. Wer also als Unternehmensvertreter den Präsidenten ins Ausland begleiten möchte, soll zunächst in Zemans Schuldentilgungskasse einzahlen.

Besonders heftig fiel die Reaktion beim politischen Gegner aus. Ex-Finanzminister und TOP-09-Vize Miroslav Kalousek sprach von präsidialer „Willkür“ – Zeman sollte sich als Dienstleister der Wirtschaft sehen und ihr nicht auf der Grundlage von Sympathien oder Antipathien schaden. Noch schwerere Geschütze fuhr Ex-Außenminister und Zemans Intimfeind Karel Schwarzenberg auf, der direkt von „Korruption“ sprach: „Meiner Meinung nach ist das verdächtig nahe an offener Korruption. Denn dieser Fonds, auch wenn sein Zweck vielleicht ehrenwert sein mag, ist eine Privatangelegenheit von Herrn Zeman. Wird ein Unternehmer unterstützt, wenn er in diesen Fonds einzahlt, so entspricht das meiner privaten Meinung nach der Definition von Korruption“, so Schwarzenberg gegenüber dem Nachrichtenserver „novinky.cz“.

Sobotka: Kriterium sind Arbeitsplätze
Der Chef der Sozialdemokraten Sobotka ist immerhin damit einverstanden, dass es Kriterien geben sollte, nach denen entschieden wird, welche Firmen an offiziellen Staatsbesuchen teilnehmen dürfen. Das Wichtigste sei die Anzahl der Arbeitsplätze, die durch mögliche Handelsverträge in Tschechien erhalten bleiben oder neu geschaffen werden. Zemans Vorschlag halte er deshalb für einen „Scherz“.

Auch die Reaktionen aus der Wirtschaft waren deutlich: „Wir halten diesen Vorschlag für unglücklich und betrachten ihn auch nicht als offiziellen Standpunkt des Präsidenten“, beschied Milan Mostýn, Sprecher des Verbandes Industrie und Verkehr. Seinen Angaben zufolge finden jährlich mehrere Dutzend solcher Auslandsmissionen statt, an denen im Schnitt 30 bis 40 Unternehmen beteiligt sind.

Bei Ländern wie Russland oder der Ukraine möchten sogar zwei- bis dreimal so viele Firmen mitreisen. Eine „Teilnahmegebühr“ widerspreche internationalen Gepflogenheiten, Großbritannien beispielsweise würde sogar einen Teil der zum Teil erheblichen Kosten der mitreisenden Unternehmen übernehmen, so Mostýn gegenüber dem Wirtschaftsmagazin „E15“.

Der Präsident des Verbandes kleinerer und mittlerer Unternehmen Karel Havlíček spricht immerhin von einem „symbolischen Vorschlag“ und erinnert an die Dimension der Staatsschulden: „Es ist klar, dass die paar hundert Unternehmen nicht die knapp zwei Billionen Schulden ausgleichen können, die die Regierungen in den vergangenen zehn Jahren verursacht haben.“ Tschechiens Staatsverschuldung beträgt derzeit rund 1,7 Billionen Kronen (etwa 68 Milliarden Euro). In Zemans Stiftungsfonds sind bisher etwas über 12.000 Euro zusammengekommen.