Der Kampf der Musketiere

Der Kampf der Musketiere

Tschechiens Fußball-Nationaltrainer Pavel Vrba greift für den Start in die EM-Qualifikation auf altbekannte Gesichter und einen Stamm aus Pilsen-Spielern zurück

3. 9. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: FAČR

Strengen und entschlossenen Blickes schauen sie von einem riesigen Plakat auf die Passanten auf dem Prager Letná-Hügel: Tschechiens Fußball-Helden Petr Čech, Pavel Kadeřábek und Tomáš Rosický. Sie alle sind geschmückt mit ein und demselben Bärtchen. Möglich machte dies ein digitales Bildbearbeitungsprogramm, das den drei Profis eine typische Musketier-Zierde ins Gesicht zauberte. Über ihren Köpfen prangt das Motto der alten Königsgarde: „Einer für alle, alle für einen.“ Der Werbegag ist eine Anspielung auf den bevorstehenden Start in die Qualifikation zur Europameisterschaft in Frankreich in zwei Jahren. Am Dienstagabend wird es für die Mannschaft von Trainer Pavel Vrba ernst. In der Generali-Arena, der Heimstätte von Sparta Prag, trifft sie auf die Niederlande, den großen Favoriten der Gruppe A.

Auch wenn die Kampagne mit den barocken Schnurrbärten mit einem Augenzwinkern vorgetragen wird, so steht der Kampfspruch der Musketiere sinnbildlich für die Tugenden, die Tschechiens Nationalspieler tatsächlich brauchen werden. Das Team findet sich in einer starken Gruppe wieder. Solidarität und Einsatz bis zum Letzten sind tatsächlich unerlässlich, will man sich gegen den WM-Dritten, die Türkei, Lettland, Island und Kasachstan durchsetzen. Da die EM 2016 mit 24 anstatt 16 Teams ausgetragen wird, reicht bereits der zweite Rang zur direkten Qualifikation. Der Drittplatzierte darf in die Playoffs.

Leistungsträger im Tief
Die tschechische Auswahl befindet sich aktuell in einer Phase des Umbruchs. Die international bekannten Stars des Teams haben ihren Leistungszenit überschritten, die nachrückenden Kräfte brauchen noch Zeit, diesen zu erreichen. Es war in jüngerer Vergangenheit schon besser bestellt um das Fußball-Aushängeschild der Nation.
Sorgen bereiten müssten dem 50-jährigen Vrba die beiden Routiniers und England-Legionäre Čech (Chelsea London) und Rosický (Arsenal London). Beide haben bei ihren Klubs den Stammplatz verloren. Doch der Coach sieht dieser Situation gelassen entgegen: „Petr Čech ist so ein erfahrener Torhüter, der braucht nicht viel Zeit, um auf Touren zu kommen. Dasselbe gilt mit Abstrichen auch für Tomáš Rosický, der nun umso erholter sein wird.“ So kann man es natürlich auch sehen. Als Nationaltrainer ist es selbstverständlich, seine Leistungsträger stark zu reden und ihnen Vertrauen zu schenken. Etwas anderes bleibt ihm beim Blick auf den Kader auch nicht übrig. Dort finden sich zahlreiche alte Bekannte wieder, zumindest für profunde Kenner des tschechischen Fußballs. Große Namen sucht man vergeblich.

Nun könnte manch einer vielleicht meinen, Vrba gäbe der Jugend eine Chance. Doch bei genauerem Hinsehen trifft auch das nicht zu. In diese Kategorie fallen höchstens zwei 22-Jährige: Sturmhoffnung Matěj Vydra, der ebenfalls in England spielt und wenigstens regelmäßig trifft (allerdings in der zweithöchsten Spielklasse beim FC Watford) sowie Flügelspieler Ladislav Krejčí von Sparta Prag, der gegen die Niederlande jedoch ziemlich sicher auf der Bank sitzen wird.

Ein merkwürdiger Gegner
Vrba greift bei seiner Nominierung auf einem ihm vertrauten Stamm aus aktuellen oder ehemaligen Pilsen-Spielern zurück. Sieben von 23 Aufgebotenen stehen beim FC Viktoria unter Vertrag. Dazu gehört auch Václav Pilář, der nach missglückten Jahren in der Bundesliga von Wolfsburg an seinen alten Verein ausgeliehen wurde. Gut möglich, dass er zusammen mit Klubkollege David Limberský die linke Seite besetzen wird.

Im Mittelfeld wird sehr wahrscheinlich Ex-Pilsen-Mittelfeldmotor Petr Jiráček Spielmacher Rosický den Rücken frei halten. Und dies, obwohl er bei einem schwachen Hamburger SV gar nicht spielt. Der bis vor kurzem noch auf der Sechserposition gesetzte Tomáš Hübschman scheint nach seiner Rückkehr in die heimische Liga zu Jablonec aus dem Blickfeld geraten zu sein. Wer das Mittelfeld vollständig macht, scheint unklar. In einer offensiven Variante könnte Vladimír Darida vom SC Freiburg zum Zug kommen, in einer etwas defensiveren (und wahrscheinlicheren) Daniel Kolář. Doch eventuell überrascht Vrba die Experten mit einer unkonventionellen Lösung und zaubert den formstarken und nachnominierten Sparta-Spieler Lukáš Vácha aus dem Hut.

In der Innenverteidigung ist mit den international erfahrenen Marek Suchý (FC Basel) sowie Michal Kadlec (Fenerbahce Istanbul) in der Startaufstellung zu rechnen. Ihnen kommt die undankbare Aufgabe zu, der holländischen Torfabrik um Arjen Robben und Robin van Persie das Leben so schwer wie möglich zu machen. Gelingt das nicht, steht ja immer noch Routinier Čech zwischen den Pfosten. Jener, der bei Chelsea trotz großer Verdienste dem Belgier Thibaut Courtois Platz machen musste. „Ich möchte dazu eigentlich gar nicht viel sagen. Ich habe einen Vertrag bei Chelsea und rechne damit, in London zu bleiben. Allerdings weiß man nie, im Fußball kann es manchmal schnell gehen. Der Fokus ist nun ganz auf die Nationalmannschaft gerichtet“, so Tschechiens unbestrittene Nummer eins.

Vereinzelt Aufschluss, wer gegen die Niederlande nun tatsächlich in der Startelf steht, dürfte das Freundschaftsspiel gegen die USA am Mittwochabend geben. Die US-Boys sind jedoch ein etwas merkwürdiger Testgegner, steht das Team von Jürgen Klinsmann mit seiner extrem kämpferischen und spielerisch limitierten Ausrichtung den Qualitäten der Mannschaft von Bondscoach Guus Hiddink doch diametral entgegen. Vielleicht will sich Vrba beim Gegner aber auch nur abschauen, wie man effizient und solidarisch – wie Musketiere eben – gegen den Ball spielt und gezielt Konter setzt. Genau das dürfte nämlich das einzig wirksame Mittel gegen die Niederlande sein.