„Jeder soll durchkommen können“

„Jeder soll durchkommen können“

Tschechische Freiwillige helfen den ankommenden Flüchtlingen auf Lesbos. Sie kritisieren die fehlende Unterstützung der EU

25. 11. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Pomáháme lidem na útěku

Hunderte Boote gehen jeden Tag vor der griechischen Insel Lesbos an Land. Sie bringen täglich mehr als 2.500 Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Vor Ort fehlt offizielle Hilfe, weder Krankenwagen noch Feuerwehr stehen bereit. Stattdessen arbeiten dort Freiwillige, die sich Tag und Nacht um die Gestrandeten kümmern. Seit knapp einer Woche ist auch Michal Roth mit dem tschechischen Helfer-Team auf Lesbos. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern zieht der Prager die erschöpften Menschen aus ihren Booten; in der Flüchtlingsherberge Moria versorgen sie die Gestrandeten mit warmer Kleidung und Essen.

Er sei trotz der Kritik vieler Freunde gekommen, sagt Roth. „Ich bin kein Experte für die Lösung der Flüchtlingskrise“, sagt er. „Aber die Flüchtlinge kommen nach Europa und es sieht so aus, als würden sie auch weiterhin kommen. Ich will aber nicht, dass sie tote Körper auf ihren Wegen hinterlassen. Ich will, dass sie durchkommen, ohne ihr Leben zu verlieren.“ Wenn die Flüchtlinge mit ihren Booten an den Grenzen der EU ankämen, dann müsse man ihnen helfen, jeder von ihnen habe einen Grund zu emigrieren, meint Roth, der zuhause für eine Prager Werbeagentur arbeitet.

Bevor er nach Lesbos reiste, war Roth an der serbisch-mazedonischen Grenze. Dort hätten die Geflüchteten bei sehr niedrigen Temperaturen im Freien schlafen müssen, sagt die Freiwillige Veronika Dombrovská. „Sie warten dort zig Stunden, bis sie registriert werden. Diese Leute stehen in endlosen Schlangen und dürfen sich nicht einmal etwas kochen“, erzählt sie. Das sei auf Lesbos anders. Dort gäbe es eine Reihe ehrenamtlicher Organisationen und auch die Kommunikation mit den Behörden funktioniere viel besser als in Serbien. Außerdem dürften sich die Flüchtlinge in Griechenland freier bewegen, zum Beispiel auch einkaufen gehen. „Die Situation auf Lesbos lässt sich nicht mit der in Serbien vergleichen“, sagt auch Monika Pokorná, die zum tschechischen Helfer-Team gehört. „Und die Unterstützung der EU ist minimal.“ Die Freiwilligen befürchten, dass sich die Situation auf dem Balkan in den kommenden Wochen zuspitzt. Wenn die Grenzen geschlossen werden, würden Tausende Flüchtende in der Winterkälte feststecken.

Auch die Situation auf Lesbos halten die Freiwilligen für kritisch. Es fehle an Lebensmitteln, Decken und Zelten für die Menschen, außerdem mangele es an humanitären Helfern und Polizisten. Insgesamt sind etwa 20 tschechische Freiwillige von der Bürgerinitiative „Pomáháme lidem na útěku“ („Wir helfen Menschen auf der Flucht“) nach Lesbos gereist. Auf der Insel wollen sie eine Grundlage für die künftige Freiwilligenarbeit vor Ort schaffen. Das Team wird begleitet von zwei Tauchern, einem Arzt und einem Sanitäter. Weitere Spezialisten würden gesucht.

„Wir sind hier auf eine ganz andere Situation als in Serbien vorbereitet. Wir rechnen damit, dass wir hier wesentlich mehr Menschenleben retten werden“, sagt Pokorná. Roth wünscht sich, dass die Freiwilligen jeweils etwa zehn Tage auf Lesbos bleiben und sich dann abwechseln könnten. „Es wäre gut, wenn wir genügend Leute hätten, damit wir zwei Schichten abdecken können, aber je mehr Freiwillige es gibt, desto besser.“