„Wir müssen die Diskriminierung von Roma klar benennen“

„Wir müssen die Diskriminierung von Roma klar benennen“

Anna Šabatová will als Ombudsfrau den Dialog fördern

26. 2. 2014 - Interview: Martin Nejezchleba

Sie ging als Favoritin ins Rennen um den Posten der tschechischen Bürgerrechtsbeauftragten: Dennoch konnte sich Anna Šabatová erst im zweiten Durchgang gegen ihren Kontrahenten, den von Präsident Zeman unterstützten Stanislav Křeček durchsetzen. Der ist nun ihr Stellvertreter und sorgte gleich für Aufruhr mit seiner Aussage, die den Einsatz von Schusswaffen gegen die Demonstranten in Kiew rechtfertigte. Anna Šabatová wies ihn zurecht und betonte, dass nur ein unparteiischer Ombudsmann Autorität genieße. Auch im Interview mit PZ-­Redakteur Martin Nejezchleba mahnte die neue Ombudsfrau ihren Stellvertreter zur Zurückhaltung.

Frau Šabatová, herzlichen Glückwunsch zur Wahl zur Ombudsfrau der Tschechischen Republik. Sie erwartet eine Amtszeit von sechs Jahren als Verteidigerin der Menschenrechte. Was möchten Sie dabei erreichen?

Anna Šabatová: Ich würde gerne an die Arbeit meiner Vorgänger anknüpfen. Vor allem möchte ich die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Behörden verbessern. Was konkrete Fälle anbelangt, geht es mir vor allem darum, an den guten Willen aller Beteiligten zu appellieren. Es handelt sich oftmals um sehr komplizierte Fälle, zu denen es einfach unterschiedliche Meinungen gibt. Man kann nicht hinter jedem Fehler einer Behörde die Böswilligkeit eines einzelnen Beamten sehen. Ich möchte mich um Konsens bemühen.

Die EU und viele NGOs beklagen in Tschechien seit langem die Diskriminierung der Roma-Minderheit, vor allem im Schulwesen. Wie sollte gegen die Diskriminierung vorgegangen werden?

Šabatová: Wir sollten vor allem anfangen, die diskriminierenden Handlungen, die aus Vorurteilen entstehen, konsequent beim Namen zu nennen. In dieser Angelegenheit stimme ich mit der Absicht des Bildungsministeriums überein, ein Jahr Kindergarten für alle Vorschulkinder – also auch für Roma-Kinder – zur Pflicht zu machen. Das könnte positive Auswirkungen auf ihren Eintritt ins Schulsystem haben. Die Bildung ist der Schritt zur Integration in die Gesellschaft und auch hin zu einer ausgewogenen Wahrnehmung durch die Gesellschaft.

Sie haben angekündigt, die Befugnisse der Ombudsfrau ausweiten zu wollen. Wie genau?

Šabatová: Ich möchte erreichen, dass der Ombudsmann dem Verfassungsgericht direkt die Abschaffung eines Gesetzes oder eines Teilgesetzes vorschlagen kann. Und ich möchte dem Ombudsmann bei Diskriminierungsstreitigkeiten die Möglichkeit geben, eine Antidiskriminierungsklage zu erheben.

Ihr Gegner bei der Wahl zum Bürgerrechtsvertreter, Stanislav Křeček, ist nun Ihr Stellvertreter. Er geht von einer hervorragenden Zusammenarbeit mit Ihnen aus. Sehen Sie das auch so?

Šabatová: Ich erwarte eine korrekte und professionelle Zusammenarbeit mit Herrn Křeček.

Gegenüber der Zeitung „Lidové noviny“ sagte er im Hinblick auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Kiew, bei denen viele Zivilisten starben, eine Regierung könne nur mit Gewalt auf Gewalt reagieren. Wenn Demonstranten auf den Barrikaden schießen, dann müsse zurückgeschossen werden, um dem Schießen Einhalt zu gebieten. Was halten Sie von der Meinung Ihres Stellvertreters?

Šabatová: Ich habe mich persönlich dazu entschlossen, keine Angelegenheiten zu kommentieren, die nicht mit meiner Funktion als Ombudsfrau zusammenhängen. Das gilt besonders für die Politik und politische Entscheidungen – die Außenpolitik Tschechiens und eine Bewertung der politischen Situation im Ausland eingeschlossen. Ich habe auch meinen Stellvertreter aufgefordert, sich daran zu halten.

Zur Person
Anna Šabatová ist 62 Jahre alt und bezieht bereits zum zweiten Mal ein Büro im Brünner Sitz des Bürgerrechtsbeauftragten. Von 2001 bis 2007 war sie Stellvertreterin des ersten tschechischen Ombudsmannes Otakar Motejl. Sie ist Tochter des einstigen Reformkommunisten und Dissidenten Jaroslav Šabata. 1971 kam Šabatová wegen der Verbreitung oppositioneller Flugblätter von der Universität ins Gefängnis. Sie gehört zu den Unterzeichnerinnen der Charta 77 und wurde später auch Sprecherin der Oppositionsbewegung. 2008 kandidierte sie für die Grünen bei den Senatswahlen – ohne Erfolg. Von 2008 bis 2013 war Šabatová Vorsitzende des tschechischen Helsinki-Komitees. Sie ist die einzige tschechische Trägerin des UNO-Menschenrechtspreises.   (mn)