Zur Löwensafari an die Elbe

Zur Löwensafari an die Elbe

Vor 70 Jahren wurde der Zoo Dvůr Králové gegründet. Später brachte Josef Vágner 2.000 Wildtiere aus Afrika ins Riesengebirge – und schuf einen großen Safaripark

4. 5. 2016 - Text: Sabina PoláčekText: Sabine Poláček; Foto: Zoo Dvůr Králové

Die Natur war sein Zuhause, Tiere seine Leidenschaft. Und er hatte einen Traum: Aus einem Provinz-Zoo in Dvůr Králové wollte der tschechische Jäger und Förster Josef Vágner einen großen Safaripark mit freilaufenden Wildtieren aus Afrika schaffen – mitten im Riesengebirge.

Der Tiergarten an der Elbe wurde bereits 1946 gegründet; geprägt hat ihn aber Vágner, der 1965 die Stelle des Zoodirektors übernahm. Von seinen neun Expeditionen nach Afrika brachte er in den siebziger Jahren per Zug, Schiff und Lastwagen rund 2.000 exotische Säugetiere, Reptilien und Vögel aus Uganda, dem Sudan, Kenia und Tansania in seine Heimat. Nichts konnte den Zoologen von seinem Vorhaben abbringen – weder Krankheiten wie Malaria, Bilharziose und Hepatitis, mit denen er sich auf seinen strapaziösen Reisen ansteckte, noch das totalitäre Regime, das seine Idee für blanken Unfug hielt.

Josef Vágner unterwegs mit seinem Team in Uganda

Heute zählt der knapp 100 Hektar große Tierpark mit 150 Mitarbeitern und rund einer halben Million Besucher pro Jahr zu den drei größten Zoos des Landes. Zum Vergleich: Der Prager Zoo ist nur halb so groß. Die Löwen­safari, die die Gäste allein mit eigenem Auto oder mit einem Bus unternehmen können, wurde 2015 für 16,5 Millionen Kronen eröffnet und ist einer der Höhe­punkte des Programms. Sie dauert eine Stunde und wird in der Sommersaison ab Juni angeboten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Tierpavillons, Hallen mit tropischen Pflanzen, Restaurants und Cafés sowie eine Galerie und einen Kletterpark.

Wenn der Zoo am Sonntag, 8. Mai sein 70-jähriges Bestehen feiert, spielt die Erinnerung an den Direktor, Forscher, Abenteurer und Schriftsteller Vágner eine wichtige Rolle. „Wir werden ein Informationszentrum und die neue Safari-Einfahrt feierlich eröffnen. An der Stelle befindet sich das Eisentor, das damals Vágners verstorbener Sohn Pavel gestaltet hat“, sagt der heutige Zoodirektor Přemysl Rabas. Außerdem werden zum Jubiläum mehrere Drill-Affen getauft. Als Höhepunkt der Geburtstagsfeier findet im Juni und Juli ein Afrika-Festival statt, so Rabas, der für Sonntag mehr als 400 ehemalige Mitarbeiter eingeladen hat – darunter Vágners Tochter Lenka.

Josef Vágner mit selteneJosef Vágner mit seltenen Breitmaulnashörnern im Zoo

Kindheit im Tierpark
Zusammen mit ihrer Tochter Markéta und ihrer Schwester Jana leitet sie die 2008 gegründete „Stiftung von Zdenka und Josef Vágner“, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Lebenswerk Josef Vágners und seiner Ehefrau zu bewahren. „Ich wohnte ab meinem neunten Lebensjahr im Haus meiner Eltern direkt auf dem Gelände des Tierparks und verbrachte dort mit meinen vier Geschwistern eine sehr glückliche Kindheit“, erzählt Vágnerová, die kürzlich ihren 60. Geburtstag feierte. „Immer wenn ich morgens die Tür öffnete, sah ich Elefanten und Löwen vor mir. Dauernd stand ich den Tierpflegern im Weg, weil ich mithelfen wollte.“ Mit der 2015 eröffneten Löwensafari und vielen anderen Attraktionen biete der Zoo jetzt genau das, wovon ihr Vater immer schon geträumt habe, sagt Vágnerová.

Zu den traurigsten Momenten des Tierparks zählt dagegen eine Nacht des Jahres 1975, in der 49 Giraffen getötet wurden. Der Tierarzt meldete dem zuständigen Amt damals einen Verdacht auf Maul- und Klauenseuche. Die Behörde ordnete die Tötung der Tiere an – heimlich bei Nacht, ohne die Laborergebnisse überprüft zu haben. „Es ist traurig, dass durch eine Reihe von Faktoren gepaart mit Dummheit, Arroganz, Willkür und Neid so viele Tiere ums Leben gekommen sind“, sagt Rabas heute betroffen.

Zu den Löwinnen sollten man Abstand halten.

Einen weiteren Tiefpunkt erreichte der Zoo im Jahr 2012, als der damaligen Direktorin Dana Holečková vorgeworfen wurde, der Park habe gegen den Tierhaltungskodex verstoßen. Der Zoo wurde aus der World Association of Zoos and Aquariums (WAZA) und der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) aus­geschlossen – mit fatalen Folgen. „Der Zoo war dadurch isoliert. Denn ohne Mitgliedschaft in einem internationalen Verband bleibt einem Park die Chance verwehrt, neue Tiere aufzunehmen“, erklärt Vágnerová. Der Antrag auf erneute Mitgliedschaft bei beiden Verbänden sei langwierig und dauere noch, aber der Tierpark sei seit dem Führungswechsel, mehreren Erweiterungen und gestiegenen Besucherzahlen wieder im Aufwind.

„In unserem Zoo sind 800 Zebras, 270 Giraffen und 50 Nashörner auf die Welt gekommen“, sagt Rabas stolz. „Viele Tiere, die bei uns groß geworden sind, leben im amerikanischen San Diego, in Hodenhagen bei Hannover oder in Berlin.“ Vágners letzten Traum, den er sich aufgrund seines Alters nicht mehr erfüllen konnte, will seine Tochter Lenka nun umsetzen: Sie will ein Kinderbuch mit afrikanischen Märchen herausgeben.

Sonntag, 8. Mai
70 Jahre Zoo Dvůr Králové

23. bis 31. Juli
Afrika-Festival


www.zoodvurkralove.cz

Ein Leben für den Zoo
Josef Vágner kam 1928 im ostböhmischen Ždírnice (Serenz) zur Welt. Er besuchte die Gewerbeschule für Chemie und Textilwesen in Dvůr Králové und eine weiterführende Schule für Land- und Forstwirtschaft in Prag, bevor er in den fünfziger Jahren Leiter der militärischen Forstverwaltung in Mirošov bei Pilsen wurde. In den sechziger Jahren studierte er unter anderem tropische und subtropische Forstwissenschaft. Als er 1965 Zoodirektor in Dvůr Králové wurde, war der Tierpark lediglich 6,5 Hektar groß. Der Familien­vater brachte in den siebziger Jahren nicht nur afrikanische Tiere an die Elbe; er wirkte auch an Naturschutzprojekten im Ausland mit und förderte zum Beispiel die Rettung von Nashörnern in Indien. Als Naturwissenschaftler bereiste er zahlreiche afrikanische und asiatische Länder, hielt Vorträge und wurde wegen seines Engagements für Naturschutzprojekte in Kenia Mitglied der East African Wildlife Society. In den siebziger und achtziger Jahren wuchs der Zoo Dvůr Králové auf rund achtzig Hektar. 1983 ging Vágner in den Ruhestand und widmete sich der Schriftstellerei. Seine Bücher über die Tierwelt Afrikas erschienen in sieben Sprachen. Mit 72 Jahren starb er 2000 in Dvůr Králové.   (sp)