Zeitlose Wirkkraft
Die Fotografien von Werner Bischof kombinieren die Schönheit der Kunst mit der Tragik des Lebens
13. 1. 2016 - Text: Alena Gold, Foto: Leica Gallery
Ein peruanischer Hirtenjunge spaziert Flöte spielend am Straßenrand. Dahinter zeichnen sich die kargen Berghänge der Anden ab, die Nähe zum Abgrund scheint den kleinen Musikanten kaum zu stören. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme stammt aus den frühen 1950er Jahren – hinter der Linse stand der Schweizer Werner Bischof. Nur kurze Zeit später wird dem Fotografen die Unwegsamkeit der Berge zum Verhängnis: Mit gerade einmal 38 Jahren kommt Bischof bei einem Autounglück ums Leben. Trotz seines frühen Todes schuf er ein beeindruckendes künstlerisches Vermächtnis. Einige Dutzend ausgewählte Werke sind derzeit in der Leica Gallery ausgestellt.
Bischof wird 1916 in Zürich geboren und lernt in den dreißiger Jahren an der Kunstgewerbeschule beim renommierten Fotografen Hans Finsler. Nach seinem Abschluss 1936 eröffnet er ein eigenes Foto- und Grafikstudio, mit dem er hauptsächlich in der Reklame- und Modebranche arbeitet. Drei Jahre später zieht es ihn nach Paris. Doch als der Zweite Weltkrieg ausbricht, kehrt er zurück in die Schweiz und wird zum Militärdienst eingezogen.
Seine künstlerischen Tätigkeiten verlegt er in den Urlaub. Er findet genug Zeit, um seine Technik und das Zusammenspiel von Licht und Schatten zu perfektionieren. Nach Kriegsende macht er sich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Deutschland. Beeinflusst von den Wünschen seiner Auftraggeber, aber auch aus eigenem Antrieb, lichtet er nun zunehmend Menschen ab und wird bald zu einem der bekanntesten Reportage-Fotografen seiner Epoche. In den folgenden Jahren reist er quer durch Europa und hält das Elend und die Zerstörung nach dem Krieg fest.
Durch weitere Aufträge verschlägt es ihn nach Asien. So lässt er den Betrachter am Leid der Menschen im nordindischen Bihar teilhaben, die von einer Hungersnot heimgesucht werden. 1953 reist er in die USA. Von dort aus verwirklicht er den seit längerem geplanten Trip in die Andenregion, der auch sein letzter sein sollte. Bischof verband seinen ausgeprägter Sinn für Schönheit stets mit der Tragik des Lebens. Gerade deswegen sind seine Aufnahmen zeitlos und haben auch über 60 Jahre nach seinem Tod nichts von ihrer Wirkkraft eingebüßt.
A Tribute to Werner Bischof. Leica Gallery (Školská 28, Prag 1), geöffnet: Mo.–Fr. 10 bis 21 Uhr, Sa. & So. 14 bis 20 Uhr, Eintritt: 70 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 24. Januar, www.lpg.cz
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