Wer war eigentlich Josef Hlávka?

Wer war eigentlich Josef Hlávka?

Prager Orte und ihre Namen: Architekt und Mäzen zwischen Karlín und Holešovice

20. 4. 2016 - Text: Friedrich GoedekingText: Friedrich Goedeking; Honza Groh/CC BY-SA 3.0

Wer auf der Prager Magistrale die Moldau auf Höhe der Insel Štvanice überquert, hat sie bestimmt ratternd in Erinnerung: Die mit Kopfsteinen gepflasterte Hlávka-Brücke (Hlávkův most) verbindet den Stadtteil Karlín mit Holešovice. Sie ist 400 Meter lang, wurde von Pavel Janák entworfen und mit Plastiken des Bildhauers Jan Štursa geschmückt. Bereits 1911 wurde sie für den Verkehr freigegeben.

Der kurz vor Baubeginn der Brücke verstorbene Namensgeber findet kaum Erwähnung in der Prager Reiseliteratur – völlig zu Unrecht, denn Josef Hlávka (1831–1908) gehörte zu den einflussreichsten Architekten und Kunstförderern seiner Zeit. Geboren in Přeštice (Prestitz) bei Pilsen, studierte er Hochbau am Prager Polytechnikum und später Architektur an der Akademie der bildende Künste in Wien. Er begann seine Laufbahn als Baumeister und realisierte in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts überwiegend in Wien Entwürfe anderer Architekten, darunter auch die Wiener Staatsoper. Als einer der bedeutendsten Mäzene seiner Zeit verband er seine unternehmerischen Erfolge mit dem Einsatz für Wissenschaft, Kunst und Kultur. Auf der Pariser Weltausstellung erhielt er 1867 den zweiten Architekturpreis für die von ihm gestaltete erzbischöfliche Residenz in Czernowitz (heute Ukraine).
Aber auch in Prag stehen Gebäude, die Hlávkas Handschrift tragen. Im Jahr 1875 vollendete er die „Landesgebäranstalt“ in der Apolinářská-Straße in der Neustadt, die er im Stil der Neogotik entworfen hatte. Auffallend sind die in Prag äußerst selten verwendeten, ursprünglich hellroten Ziegelsteine – man glaubte damals, sie würde verhindern, dass Infektionskrankheiten sich ausbreiten. In der Kapelle der Klinik steht seit 1997 eine übergroße Statue von Hlávka.

Nach schwerer Krankheit konnte er ab 1880 nicht mehr als Architekt arbeiten und befasste sich mit dem Denkmalschutz sowie den bildenden Künsten. Als großer Bewunderer von Antonín Dvořák bat er den Komponisten 1887 um eine Messe für die Einweihung der Kapelle im Schloss Lužany bei Pilsen. Bei der Feier sangen die Gattinnen von Dvořák und Hlávka die Damensoli.

Hlávkas Ideen wurden auch später noch umgesetzt. So entstand 1889 sein Gebäudekomplex in der Vodičkova-Straße 15/17, der noch heute als „Hlávkovy domy“ bekannt ist und an dem der Architekt des Hauptbahnhofes Josef Fanta entscheidend mitwirkte. Eine Hlávka-Gedenktafel ist an diesem Haus zu finden, in dem von 1892 bis 1895 Rainer Maria Rilke wohnte.
Bis heute sichtbare Spuren Hlávkas im Prager Stadtbild gehen auf das Hochwasser im Jahr 1890 zurück, als er den Wiederaufbau der teilweise eingestürzten Karlsbrücke begleitete. Damals wurde der Kreuzherrenplatz vor dem Altstädter Brückenturm aufgeschüttet. Ebenfalls 1890 begründete er die Tschechische Akademie der Wissenschaften und diente ihr als Geldgeber und erster Präsident. Als Anerkennung für sein Lebenswerk erhielt er 1907 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Prag sowie den Kaiser-Franz-Josef-Orden. Sein Vermögen aus zwei kinderlosen Ehen ging in die „Stiftung von Josef, Marie und Zdeňka Hlávka“ über, die seitdem die geistige Elite des Landes fördert.