„Vorsicht schadet nicht“
Nach den Terroranschlägen in Paris führt Tschechien besondere Sicherheitsmaßnahmen ein
2. 12. 2015 - Text: Jan NechanickýText: Jan Nechanický; Foto: Prague.eu
Die Terroranschläge in Paris haben die Welt erschüttert. Auch die tschechische Öffentlichkeit zeigte sich bestürzt. Als Reaktion auf die Ereignisse in Frankreich hat die Regierung in Prag erhöhte Sicherheitsvorkehrungen im öffentlichen Raum beschlossen. Einrichtungen wie Flughäfen oder Einkaufszentren erhalten besonderen Polizeischutz. Ungewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen begleiteten auch Sport- und Kulturveranstaltungen. Das Fed-Cup-Finale in der Prager O2-Arena überwachten schwer bewaffnete Polizisten . Vor dem Konzert der britischen Band „The Prodigy“ wurde jeder Besucher einer intensiven Kontrolle unterzogen. Vorsorglich wurde auch die Sicherheitsstufe der tschechischen Atomkraftwerke erhöht. Auch der Prager Stadtrat ordnete außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen an, die unter anderem die Weihnachtsmärkte betreffen. So stand in diesem Jahr aufgrund der erwarteten Menschenmassen nicht fest, wann genau der Markt auf dem Altstädter Ring feierlich eröffnet wird. Zudem wurden die Besucher zu besonderer Vorsicht aufgefordert. Menschen mit Behinderung, Mütter mit Kinderwagen und Eltern mit kleinen Kindern sollten einen Besuch des Weihnachtsmarktes überdenken, erklärte die Prager Polizei.
Trotz der besonderen Maßnahmen zeigten sich die Regierungspolitiker überzeugt, dass in Tschechien derzeit keine Terrorgefahr droht. Nach einer außerordentlichen Kabinettssitzung Ende vergangener Woche wandte sich Premier Bohuslav Sobotka an die Öffentlichkeit: Sowohl das Innenministerium als auch alle drei tschechischen Nachrichtendienste hätten eine Bedrohung ausgeschlossen, es bestehe kein Grund zur Panik. (jn)
Straßenumfrage: Fühlen sich die Prager noch sicher?
Nach den Anschlägen in Paris sind auch in Tschechien die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. PZ-Redakteur Jan Nechanický hat in der Prager Innenstadt Passanten gefragt, ob sie die Maßnahmen für angemessen halten und Angst vor einem Terroranschlag haben.
Omar (26), Ingenieur
Die Regierung will natürlich ihre Bürger schützen. Das ist gut. Aber andererseits denke ich, dass die Terroristen unser normales Leben nicht beeinflussen sollten. Man sollte ihnen zeigen, dass man keine Angst vor ihnen hat. Natürlich habe ich nach den Ereignissen in Paris auch Angst, aber das Leben geht weiter. Die Behörden haben es zurzeit nicht einfach. Was sollen sie sagen? Bleibt alle zu Hause? Das geht doch nicht. Die Regierung sollte eher versuchen, die Leute aufzuspüren, die so etwas machen könnten als die öffentlichen Plätze zu sperren. Ein Terroranschlag kann heutzutage überall passieren. Ich komme aus der Türkei. Bei den Anschlägen in Ankara sind 120 Menschen ums Leben gekommen. Am Tag zuvor war ich an dem Ort, an dem es geschah. Ich kann von Glück sprechen, dass mir nichts passiert ist. Man hat Angst, aber man kann sie nicht die ganze Zeit mit sich herumtragen. Das macht paranoid.
Vladimír (28), Callcenter-Mitarbeiter
Die Maßnahmen finde ich übertrieben. Zum Beispiel, dass man die Kinder nicht auf den Weihnachtsmarkt mitnehmen sollte. Die Weihnachtsmärkte sind doch für Kinder da. Es gehört zur Tradition. Wir sollten uns nicht abschrecken lassen. Was die Ängste vor einem Terroranschlag angeht, habe ich gemischte Gefühle. Ich glaube, die tschechischen Medien vermitteln ein anderes Bild als die Medien im Ausland.
Magdalena (32), Ärztin
Ich finde die Maßnahmen nicht maßlos übertrieben. Die Menschen sind inzwischen so verwirrt, dass es vollkommen reichen würde, wenn jemand einen Böller wirft, um gleich eine Massenpanik auszulösen. Und das wäre schon gefährlich. Ich fühle mich aber nicht eingeschränkt, ich werde vormittags zum Beispiel trotzdem auf den Weihnachtsmarkt gehen. Ich glaube nicht, dass uns aktuell irgendeine Gefahr droht. Tschechien steht meiner Meinung nach ziemlich weit unten auf der „Liste“.
Daniela (38), Büroangestellte
Ich bin mit den Maßnahmen einverstanden. Es war richtig, die Weihnachtsmärkte nicht komplett abzusagen. Ich habe viele Arbeitskollegen in Brüssel. Dort beschweren sich mittlerweile die Händler, dass ihre Umsätze sinken, weil aus Angst viel weniger Leute einkaufen gehen – trotz der Sicherheitsvorkehrungen. Es wäre schlecht, wenn hier so eine Situation entstünde. Bei uns ist glücklicherweise noch nie etwas passiert, obwohl es schon so viele europäische Metropolen getroffen hat. Ich glaube, heutzutage ist nichts mehr ausgeschlossen, wenn man bedenkt, was gerade in der Welt passiert.
Štěpánka (22), Studentin
Vielleicht sind die Sicherheitsvorkehrungen ein bisschen übertrieben, aber andererseits finde ich einige davon ganz praktisch. Zum Beispiel, dass man den Weihnachtsbaum am Altstädter Ring mehrmals erleuchtet und nicht nur einmal. So gibt es dort nicht so ein Gedränge wie sonst jedes Jahr. Außerdem schadet es bestimmt nie, wenn wir ein bisschen vorsichtiger sind. Ich habe dieses Jahr vor, auch den Weihnachtsmarkt in Dresden zu besuchen und da habe ich schon ein bisschen mehr Angst. Meiner Meinung nach gehört Tschechien zu den Ländern, in denen die Gefahr eines Terroranschlags eher gering ist.
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