Von Spitzeln und Meinungsmachern

Von Spitzeln und Meinungsmachern

Das Nationalmuseum beleuchtet die Geschichte der Skandale

16. 1. 2014 - Text: Christoph LaakText: Christoph Laak; Foto: nm

 

Intrigen, Spionage, Verrat, das Feilschen um Macht – die unterschiedlichsten politischen Machenschaften führen seit Jahrtausenden zu viel diskutierten Staatsaffären. Es bedurfte nicht einmal moderner Medien, um den Klatsch in der Bevölkerung zu verbreiten. Aber natürlich führte der Aufstieg von Zeitschriften, später des Fernsehens und des Internets, zu einer rasanten Beschleunigung der Informationstreuung. Damit erfuhr auch der Boulevard-Journalismus und dessen Ausschlachtung skandalöser Vorgänge einen ungeahnten Aufstieg. Mit der Geschichte des (vorwiegend politischen) Skandals in Böhmen und Mähren setzt sich nun eine Ausstellung im Nationalmuseum auseinander. Die Schau widmet sich dem Zeitraum zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Samtenen Revolution 1989.

In den politischen Affären des „kurzen 20. Jahrhunderts“ widerspiegelt sich untrennbar der Aufstieg der fünften Gewalt und deren steigender Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung. Egal in welcher Form und Epoche ein Medium erschien, es lieferte den Rezipienten nicht nur Informationen, sondern gab auch gleich eine Meinung mit auf den Weg. Mit welchen Absichten und Auswirkungen Medien das Bild von Menschen in der Öffentlichkeit prägten, stellt neben der Erklärung zahlreicher Staatsaffären den Kern der Schau dar. So begegnet man zu Beginn dem Politiker Karel Šviha, dem Fraktionsvorsitzenden der Tschechischen Nationalen Sozialisten im böhmischen Parlament. Auf der einen Seite gab er sich als Patriot, auf der anderen unterstützte er aber eine pro-österreichische Haltung. Diese ambivalente, eigentlich paradoxe Einstellung unterstreicht sein geheimes Wirken für das Habsburgerreich: Im stillen Kämmerlein arbeitete er für die Polizei als Informant.

Novotnýs politisches Ende
Weiter geht es über den späteren Gauleiter Konrad Henlein und dessen Intrige im Sudetenland. Als Gründer der „Sudetendeutschen Heimatfront“ schwor er dem tschechoslowakischen Staat zunächst öffentlich Loyalität. Später startete Henlein den „Ersten Septemberaufstand“ und versuchte sich damit an einem Staatsstreich in den Grenzbezirken. Die Ausstellung zeigt einige persönliche Gegenstände aus Henleins Arbeitsleben. Es sind solch spannende Exponate, die die jeweilige Zeit greifbar aufleben lassen. Daneben werden die Ereignisse als historisierte Zeitungsberichte dargestellt und mit verschiedenen Exposés aufgewertet. Fast gemütlich wirkt die Ausstellung mit ihren nachgestellten Sitzecken aus den zwanziger Jahren.

Besondere Aufmerksamkeit erhält einer der größten politischen Skandale der sozialistischen Tschechoslowakei. Ein enger Mitarbeiter des Präsidenten und Generalsekretärs Antonín Novotný lief zur CIA über und deckte mehrere Fälle von Korruption auf. In Zeiten der gesellschaftlichen und schrittweise auch die Medien betreffenden Liberalisierung ab Mitte der sechziger Jahre beschleunigte jener Vorfall das politische Ende Novotnýs.

Den thematischen Abschluss bilden die Samtene Revolution und die Umstände, die zu ihr führten. Das Wirken der Geheimpolizei, die darbende Wirtschaft sowie gesellschaftlicher und kultureller Stillstand prägten die späten achtziger Jahre. Wie die Kuratoren an jenem Punkt die Klammer der Schau zu schließen versuchen, erscheint leider etwas sprunghaft. Allgemein verpasste man es, die gesamte Schau erfolgreich an einem stringenten Leitfaden und entsprechenden Fragenkatalogen zu orientieren. Dennoch: Wer sich einen kurzen Überblick über die kleinen und großen Skandale Tschechiens beziehungsweise der Tschechoslowakei verschaffen will, ist hier am richtigen Ort.

Skandale (Aféry). Nationalmuseum – Neues Gebäude (Vinohradská 1, Prag 1), geöffnet: täglich 10–18 Uhr (mittwochs ab 9 Uhr), Eintritt: 110 CZK (ermäßigt 75 CZK), bis 11. Mai