Von schlechten Steaks und einer Leichenhalle
Staatspräsident Zeman erstaunt Europaabgeordnete mit humorvoller Rede
5. 3. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: APZ
Politik kann mitunter komische Züge annehmen. Das zeigte sich in der vergangenen Woche in Straßburg. Tschechiens Präsident hielt dort eine amüsante Rede vor den Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
Noch vor seinem Auftritt übergab Miloš Zeman dem deutschen Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) ein besonderes Gastgeschenk: einen Fußball mit der Unterschrift von Antonín Panenka, jenem Nationalspieler, der mit seinem Elfmeter im EM-Finale 1976 in der „Nacht von Belgrad“ den Sieg über die haushohen Favoriten aus der Bundesrepublik perfekt machte. „An Panenka werden sich die Deutschen sicher gut erinnern“, scherzte Zeman mit dem Sozialdemokraten. Seine anschließende Rede, angesetzt zwischen zwei Parlamentsabstimmungen, nutzten ein Drittel der Abgeordneten für eine kürzere Pause. Dabei hätten die in nicht einmal 15 Minuten vorgetragenen Standpunkte des Tschechen den einen oder anderen sicher erstaunt. Seine Rede hielt er entgegen dem Usus nicht in seiner Muttersprache, sondern auf Englisch, um „das Geld für die Übersetzer zu sparen“.
„Jeder Politiker, der im Europäischen Parlament eine Rede hält“, begann Zeman, „spricht – direkt oder indirekt – über seinen Traum von Europa. Erlauben Sie mir also, dass ich diese gute Tradition fortsetze.“ Zunächst ließ er jedoch wissen, wovon er alles nicht träumt.
„In meinem Traum fehlt die absurde Pendelei des Europaparlaments zwischen Straßburg und Brüssel. Mein Traum von Europa beinhaltet auch keine unsinnigen Richtlinien, wie die über Energiesparlampen.“ Hierzu plauderte Zeman vor den knapp 500 EU-Politikern sogar aus seinem Privatleben: „Eine dieser Lampen habe ich auf meiner Hütte und dort sieht es jetzt aus wie auf einem Friedhof oder in einer Leichenhalle. Also, wie Sie sehen, spreche ich aus eigener Erfahrung.“ Zeman träume auch nicht „von der Architektur von Brüssel, die manchmal so aussieht wie eine vergrößerte Holzschachtel“ oder „von einem Steak, das es bei der Europäischen Kommission gibt und nicht nur aussieht wie ein Kaugummi, sondern auch so schmeckt.“ Was ihm wirklich gut schmecke, sei tschechisches Bier, das „allerbeste auf der ganzen Welt“. Das könne er den Abgeordneten wirklich empfehlen.
So wie er ein gemeinsames europäisches Bier ablehne, sei er auch gegen einen „gemeinsamen europäischen Käse und gegen Einheitlichkeit. Denn eine Uniform ist grau und langweilig.“
Dass Tschechiens Präsident nicht nur dem Konsum von Alkohol, sondern auch dem von Zigaretten zugetan ist, machte Richard Falbr deutlich, der für die tschechischen Sozialdemokraten im Europaparlament sitzt. Kurz vor der Rede hatte er Zeman einen Aschenbecher übergeben mit der Bemerkung, er solle hier aber bloß nicht rauchen. Gegenüber Journalisten beschwerte sich Zeman später tatsächlich darüber, dass er sich schon seit über zwei Stunden keine Zigarette angezündet habe. Dass die EU-Parlamentarier am gleichen Tag eine Richtlinie über größere Warnhinweise auf Zigarettenverpackungen verabschiedeten, sah der 69-Jährige als eine „runde Sache“ an.
Wie aber sieht sein Traum von Europa nun eigentlich aus? Bildhafte Vergleiche hatte er dazu zwar nicht auf Lager, jedoch ein Zitat des tschechischen Philosophen Václav Bělohradský, der gesagt haben soll: „Die europäische Bürgerschaft ist eine kulturelle Wahl.“ „Kultur ist vor allem mehr als kalte wirtschaftliche Berechnungen, in denen man Verluste und Gewinne miteinander vergleicht“, äußerte Zeman.
Zudem forderte er eine gemeinsame Außenpolitik, zu der auch eine gemeinsame europäische Armee gehöre, die billiger und effizienter wäre als 28 nicht miteinander abgestimmte Streitmächte. Des Weiteren sprach er sich für eine gemeinsame Fiskalpolitik und Steuerharmonisierung sowie den Euro als Gemeinschaftswährung aus. „Die, die den Euro kritisieren, leiden (…) unter der Angst vor dem Unbekannten“, sagte Zeman.
Im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Václav Klaus bekennt sich der neue Präsident zur „europäischen Integration und Föderation“, was die Mehrzahl der Parlamentarier natürlich gern hörte. Sein letzter Satz lautete dann auch: „Tief in meinem Herzen glaube ich, dass die Europäische Union eine gute Sache ist.“
Ein Fußball, seltsame Vergleiche, ein Aschenbecher auf dem Rednerpult, Werbung für tschechisches Bier – der erste Auftritt eines tschechischen Präsidenten im Europäischen Parlament seit 2009 verlief in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Und endete auch dementsprechend. Eine für den Abend durch Zeman geplante Ausstellungseröffnung musste um eine viertel Stunde verschoben werden. Denn im Gebäude des Europaparlaments war Zeman in einem Fahrstuhl steckengeblieben. Und es wäre nicht Zeman, wenn ihm dazu nicht ein Bonmot eingefallen wäre. Karl Marx habe einmal gesagt, das Transportwesen sei ein Abbild der Verhältnisse im Staat. „Da auch ein Aufzug zum Transportwesen gehört, kann man schlussfolgern, dass auch im Europäischen Parlament irgendetwas faul sein muss.“
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“