Viktorias Kampfgeist

Viktorias Kampfgeist

Sparta Prag verliert das Spitzenspiel in Pilsen trotz einer Halbzeit in Überzahl

4. 11. 2015 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: AC Sparta Praha

Er hätte zum Helden werden können. Einer, der den eigenen Fehler wiedergutmacht, einen Elfmeter hält und seinem Team 90 Minuten lang mit wichtigen Paraden den Rücken stärkt. Das Dumme war nur, dass Spartas Torhüter David Bičík der einzige seiner Mannschaft war, der zumindest annähernd auf gewohntem Niveau spielte. Alle anderen Spartaner gingen an diesem Sonntagnachmittag im Pilsener Kampfgewühl unter. Weder Routiniers wie Petr Jiráček oder Marek Matějovský noch aktuelle Nationalspieler wie Bořek Dočkal oder Ladislav Krejčí zeigten sich im Spitzenspiel der Synot Liga in der entsprechenden Verfassung, um dem engagierten Heimteam etwas entgegenzusetzen. Und so rückte der amtierende Meister aus Westböhmen dank einem 2:1-Sieg zum bis dato alleinigen Tabellenführer auf, nachdem im Vorfeld der Partie so manches für das formstarke Sparta Prag sprach.

Die Hauptstädter kamen mit geschwellter Brust in die Doosan-Arena. Nach der 0:1-Derby-Niederlage Ende September gegen Slavia Prag rappelte sich das Team von Zdeněk Ščasný schnell wieder auf und reihte in der Liga drei Siege mit einem Torverhältnis von 11:0 aneinander. Und in der Europa League trotzte man zuletzt dem Bundesligisten Schalke 04 in dessen Stadion ein verdientes 2:2 ab, während Viktoria gegen Rapid Wien im selben Wettbewerb mit 2:3 verlor. Außerdem stolperten die Pilsener auch in der Meisterschaft gegen einen bescheidenen FC Zbrojovka Brünn mit 0:1.

Ščasný konnte bis auf David Lafata auf seine besten Kräfte zurückgreifen. Für den 34-jährigen Torjäger lief Kehinde Fatai als Stoßstürmer auf. Der zuletzt so treffsichere Nigerianer erwies sich aber geradezu als Totalausfall. Die mangelnde offensive Durchschlagskraft des Spitzenreiters lediglich mit einem schwachen Tag des glücklosen Angreifers zu erklären, wäre jedoch so unverschämt wie die Behauptung, der Bau des Prager Blanka-Tunnels unter dem Sparta-Stadion hätte sich nur aufgrund von Erdrutschen so lange verzögert. Jeder, der etwas von der Materie Fußball versteht, sah, dass die Probleme tiefer lagen; nämlich in einem konzept- und mutlosen Aufbauspiel. Hinzu kam, dass aufsässige Pilsener dem Widersacher dank hohem Pressing zeigten, mit welchem Einsatz und Kampfeswillen man in solch ein Duell gehen muss.

Das Problem im Kopf
„Ich möchte nicht über einzelne Spieler sprechen. Aber was wir heute gezeigt haben, war teilweise schrecklich. Vor allem die Leistung in der zweiten Halbzeit kann ich mir nicht erklären“, so Trainer Ščasný. Der 58-Jährige wollte sich während der Pressekonferenz nach dem Spiel gar nicht auf taktische Fragen einlassen und nahm sich damit selbst aus der Schusslinie. „In so einer Partie muss von allen mehr kommen. Das Problem lag im Kopf.“ Spartas Torhüter Bičík nannte das Spiel seiner Vorderleute „fahrig, ohne Zug nach vorne“. „Ich kann nicht verstehen, wie man ein derart wichtiges Duell auf solch eine Art und Weise verliert“, ergänzte der Schlussmann. Damit verwies Bičík auch auf die Tatsache, dass Sparta ab der 41. Minute mit einem Mann mehr auf dem Platz stand. Pilsens Kapitän Václav Procházka sah nach einer Tätlichkeit gegen Matějovský die rote Karte.

„Das darf einem erfahrenen Mann wie Václav nicht passieren. Aber wir haben uns schnell gefangen und ein Spiel für die Geschichte geliefert. Sparta in Unterzahl zu schlagen, ist einfach großartig“, gab Pilsens Übungsleiter Karel Krejčí nach dem Schlusspfiff zu Protokoll. Der 41-jährige Coach sah nach der Niederlage gegen Brünn die „richtige Reaktion“. Krejčí steht seit Mitte August an der Seitenlinie der Pilsener und beerbte Meistertrainer Miroslav Koubek, der nach vier sieglosen Spielen in Serie den Verein in gegenseitigem Einvernehmen verließ. Seither scheint der Meister vor allem in der Defensive solider. Und an der hochkarätig besetzten Offensive sollte es auch an diesem warmen Herbsttag nicht scheitern. Selbst mit neun Feldspielern erspielte sich Rot-Blau ein klares Chancenplus.

Die Überlegenheit Pilsens machte sich bereits in der ersten Halbzeit deutlich. Vor allem das Duo David Limberský und Radim Řezník sorgte über die linke Seite immer wieder für Gefahr. Und in der 22. Minute hätte der Gastgeber bereits in Führung gehen müssen. Bičík holte Michal Ďuriš an der Strafraumgrenze von den Beinen. Eine gelbe Karte und Elfmeter waren die Konsequenz. Doch der Gefoulte trat wider der alten Fußballerweisheit selbst an und scheiterte an Spartas Torhüter. „Das war ein Foul, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber leider hat es dann auch nichts genützt, dass ich den Elfer gehalten habe“, so Bičík entnervt.

Zurück im Titelrennen
„Nach dem verschossenen Strafstoß und der roten Karte gegen Procházka dachte ich, das sei wie eine zweite Chance für uns, die wir nach der Pause nutzen müssten. Doch dann kam einfach nichts“, erklärte Petr Jiráček, seinerseits bei jedem Ballkontakt ausgepfiffener Pilsen-Rückkehrer. Der 29-Jährige spielte von 2008 bis 2011 bei Viktoria und trug damals viel zum Aufstieg des Vereins zum nationalen Spitzenklub bei. Nun war er Sinnbild für einen erschreckend teilnahmslosen Rekordmeister, der dem Gegner vor allem im „Eins-gegen-Eins“ hoffnungslos unterlegen war.

Dass die Tore für Pilsen dann auch noch gegen Ende des Spiels fielen, in einer Phase, in der Sparta kräftemäßig im Vorteil hätte sein müssen, war doppelt bitter für die Gäste. Viktorias junger Innenverteidiger Jan Baránek traf in der 72. Minute per Kopf zum 1:0. Er verwertete dabei einen Eckball von Ďuriš. Und in der 84. Minute ließ Milan Petržela Bičík mit einem satten und präzisen Schuss aus rund 20 Metern keine Chance. Das 1:2 Spartas in der 90. Minute durch den eingewechselten Lukáš Juliš kam zu spät. „Pilsen hatte mehr Standards, gewann die Zweikämpfe, tat mehr für den Sieg. Das alles hat uns gefehlt und deshalb sind wir auch selber schuld an der Niederlage“, erklärte Bičík. Pilsen wiederum meldet sich mit einer aufopferungsvollen und leidenschaftlichen Partie zurück im Kampf um den Titel.