Verloren in der Idylle
Die Nationalgalerie zeigt eine Werkschau des „letzten“ tschechischen Impressionisten Ludvík Kuba
11. 12. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: APZ
Er war so etwas wie ein Spätzünder – der böhmische Folklorist, Schriftsteller, Hobby-Ethnologe und Maler Ludvík Kuba. Viele seiner Hauptwerke entstanden zu einer Zeit, in der hierzulande die junge Garde der Künstlergruppe „Osma“ um Emil Filla und Otakar Kubín in den zehner und zwanziger Jahren mit den neuesten kubistischen und expressionistischen Trends auf sich aufmerksam machte. Kuba blieb seinen impressionistischen Wurzeln ein Leben lang treu und wurde dafür, gegen Ende seines Lebens, auch noch ungewollt zum Vorzeigemaler der sozialistischen Tschechoslowakei. Die Nationalgalerie stellte für eine umfangreiche Werkschau im Salm-Palais nicht nur Exponate aus dem eigenen Archiv zur Verfügung, sondern suchte auch bei privaten Kunstliebhabern nach wertvollen und für die Öffentlichkeit noch nie zugänglichen Bildern Kubas.
Über 150 Jahre ist es her, dass Kuba in Poděbrady als zweites von insgesamt 13 Kindern eines Schlossers zur Welt kam. In den 1880er Jahren schlug der junge Mann mit dem regen Interesse für slawische Folklore die Laufbahn eines Lehrers ein, die ihn früher oder später in die Klassenräume einer Volksschule geführt hätten. Doch in dem damals in Sachen Karriereplanung erstaunlich fortgeschrittenen Alter von 33 Jahren zog es Kuba nach München, wo er ab 1896 in Anton Ažbes Atelier lernte. Auf Reisen nach Paris kam er zuvor mit den führenden Impressionisten Europas in Kontakt. Doch erst bei Ažbe wurde ihm die impressionistische Pinselführung beigebracht.
Szenen des Alltags
Kuba nahm die typischen Motive der damals schon im Niedergang befindlichen Stilrichtung in sein Werk auf: Landschaftsbilder, Porträts und Stillleben. Um die Jahrhundertwende ist ein erster Bruch, ein Paradigmenwechsel, in Kubas Schaffen zu erkennen. Fortan widmete er sich vorrangig seinem unmittelbaren persönlichen Umfeld. So sind im Salm-Palais zahlreiche Porträts von Kubas Frau oder den Kindern sowie Szenen des alltäglichen Familienlebens zu sehen.
Die Intimität und das atmosphärisch dichte Spiel mit dem Licht lassen den Betrachter rasch in die private Welt des Künstlers eintauchen. So zum Beispiel bei „Čtoucí chlapec“ („Lesender Junge“, 1916), das seinen Sohn bei der Lektüre zeigt, oder „Mezi růžemi“ („Zwischen Rosen“, 1906).
Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges kehrte Kuba in seine böhmische Heimat zurück. Dort blieb er aufgrund seiner „überholten“ Maltechnik ein Außenseiter in der Kunstszene und widmete sich weiterhin seinen gewohnten Motiven. In den zwanziger Jahren folgte eine intensive, ethnologisch motivierte Serie. In seinen „Die Slawen in Bildern“ („Slované v obrazech“) porträtierte er meist Frauen in ihren typischen Trachten. Die Reisen in den Balkan oder in die Westukraine nahm Kuba wohl eher als wissenschaftlich motivierte Exkursionen wahr denn als musische Inspirationsausflüge. Genau jene Reihe verhalf Kuba dann aber zu ansehnlichem Ruhm.
Sein Spätwerk dominieren Landschaftsbilder und Motive aus dem eigenen Garten oder vom Landgut einer befreundeten Familie. Von der sozialistischen Elite wurde er ab 1948 als Inszenierender des idealisierten ländlichen Bauernlebens in den Rang eines „nationalen Künstlers“ erhoben. Bis zu seinem Tod im Jahr 1956 galt er – eher wider Willen – als der Hauptrepräsentant der „neuen sozialistischen Kunst“. Vielleicht verblasste sein Andenken auch deswegen, vor allem nach 1989, erstaunlich schnell.
Freunde des gefühlvollen Impressionismus sollten sich die gelungene Werkschau Kubas nicht entgehen lassen – gerade weil viele Exponate danach wieder in den Gemächern privater Sammler verschwinden werden.
Ludvík Kuba – Der letzte Impressionist. Salmovský palác (Hradčanské náměstí 2, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 100 CZK (ermäßigt 50 CZK), bis 6. April
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