Sturm der Entrüstung

Sturm der Entrüstung

Staatspräsident Zeman verweigert homosexuellem Dozenten die Professur

22. 5. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh; Foto: čtk

Als sich Präsident Miloš Zeman am Dienstag auf den Weg in das Gebäude des Obersten Gerichts in Brünn begab, erwarteten ihn dort wütende Studenten. Im Chor skandierten sie „Není nám to Putna“, zu Deutsch: „Uns ist es nicht egal“, und sprachen sich mit dem doppeldeutigen Wort für den Literaturhistoriker Martin C. Putna aus. Und gleichzeitig gegen Zeman, denn dieser hatte sich am vergangenen Freitag gegen dessen Ernennung zum Professor an der Prager Karls-Universität gestellt. Der katholische Intellektuelle Putna bekennt sich offen zu seiner Homosexualität. Das sei nach Aussage Zemans jedoch nicht der Grund für seine ablehnende Haltung. Vielmehr störe ihn ein Transparent, das der Hochschulpädagoge auf einer Homosexuellen-Parade im Sommer 2011 getragen hatte. Die auf dem Transparent zu lesende Aufschrift „Katholische Tunten grüßen Bátora“ bezog sich auf den damaligen Vorsitzenden der rechtskonservativen Vereinigung D.O.S.T., die zur gleichen Zeit eine Gegendemonstration organisiert hatte. Ein solches Auftreten Putnas in der Öffentlichkeit zieme sich nicht für einen Professor, meint Zeman.

Verfügt das Staatsoberhaupt überhaupt über das Recht, persönliche Ansichten über die akademische Freiheit zu stellen? Eigentlich nicht, sagt Verfassungsrechtler Jan Kysela: „Diese Causa fällt nicht in die verfassungsrechtlichen Befugnisse des Präsidenten.“ Nichts würde passieren, wenn nur der Hochschulrektor die Ernennungsurkunde unterschreibt, mutmaßt Kysela.

Akademiker, Politiker und allen voran die Studenten reagierten empört auf Zemans Verhalten. Der Vorstand des Tschechischen Hochschulrates erkennt einen „präzedenzlosen Eingriff in die Autonomie der Hochschulen“. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten (ČSSD) Bohuslav Sobotka plädiert an den „gesunden Menschenverstand“ und kann Zeman ebenso wenig verstehen wie Außenminister Karel Schwarzenberg (TOP 09), der sogar von einer „Fortführung der Politik im Protektorat“ sprach.

Noch wird darüber spekuliert, was sich wirklich hinter der Weigerung verbirgt. Gemutmaßt wird, dass der Atheist Zeman Sympathien in Kirchenkreisen gewinnen will. Vertreter der katholischen Kirche hatten sich in der Vergangenheit mehrfach ablehnend gegenüber der sexuellen Orientierung des Wissenschaftlers Putna geäußert. Manche denken, Zeman wolle Putna abstrafen, weil dieser im Präsidentschaftswahlkampf seinen Kontrahenten Schwarzenberg unterstützt habe. Andere hingegen munkeln, Putnas kritische Haltung zur russischen Regierung spiele eine Rolle.

Am Mittwoch will Zeman der Öffentlichkeit gemeinsam mit Bildungsminister Petr Fiala Rede und Antwort stehen. Unterhalten wollte er sich auch tags zuvor mit den Studenten vor dem Obersten Gericht in Brünn. Doch diese ließen das Staatsoberhaupt mit ihren Sprechchören einfach nicht zu Wort kommen.