Sommerfieber in Pilsen

Europas Kulturhauptstadt 2015 feiert im Juli mit Barockmusik, Gauklern und einer riesigen Suppenküche
2. 7. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: 9 týdnů baroka
Neun Wochen Barock
Gerüche, kulinarische Kostproben, Musik und Architektur des Böhmischen Barock stehen ab Ende Juni für 63 Tage an 63 Orten der Region Pilsen im Mittelpunkt. Das Festival „9 Wochen Barock“ präsentiert Konzerte, geführte Besichtigungen historischer Baudenkmäler und ganze Nächte im Zeichen des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Ziel der Veranstalter ist es, dass die Besucher die Atmosphäre des Barock mit allen Sinnen nachspüren können. Führungen zu den Themen Landschaft, Architektur, Technik- und Naturdenkmäler sowie Volkstraditionen ergänzen das Programm. Zu den Höhepunkten zählen unter anderem die Oper „Costanza e fortezza“ von Johann Joseph Fux, die 1723 anlässlich der Krönung Karl VI. zum König von Böhmen in Prag aufgeführt wurde (31. Juli und 1. August in Světce bei Tachov), Johann Sebastian Bachs Messe in h-Moll (25. Juli im Kloster Kladruby) und Georg Friedrich Händels Oratorium „Der Messias“ (21. August in Manětín). Das Programm rückt jede Woche ein Gebiet in den Fokus. Seinen Auftakt erlebt das Festival in Nepomuk und Spálené Poříčí, der Geburtsstätte des berühmten Brückenheiligen. Von dort wandert es weiter durch den Kreis Pilsen, bis es am 30. August in Sušice seinen Abschluss findet.
9 týdnů baroka, bis 30. August, Informationen unter www.plzen2015.eu/de
Rembrandts Straßenbahn
Was verbindet tschechische Kubisten mit dem niederländischen Maler Rembrandt? Und welche Rolle spielt dabei die Straßenbahn? Eine Antwort darauf gibt die Ausstellung „Rembrandts Straßenbahn. Kubismus, Tradition und andere Kunst“ in der Westböhmischen Galerie. Zu sehen sind Malereien und Skulpturen bekannter Kubisten wie Emil Filla, Bohumil Kubišta, Josef Čapek und Otto Gutfreund. Sie werden ergänzt durch die Werke bedeutender französischer Künstler, zum Beispiel Pablo Picassos „Gitarre“ und die „Skizze eines Baumes“ von Paul Cézanne. Im Mittelpunkt der Schau steht Rembrandts Radierung „Die drei Kreuze“, die den Kubisten gegenübergestellt wird. Sie ist eines von vielen Werken alter Meister, auf die sich die Künstler der Avantgarde immer wieder bezogen. Denn, wie Eva Reitspiesová von der Westböhmischen Galerie sagt: „Ein charakteristisches Merkmal der Moderne ist die enge Beziehung zur Tradition. Die alten Meister waren eine große Quelle der Inspiration für die Kubisten. ,Rembrandts Straßenbahn‘ repräsentiert eine jahrhundertelange Verbindung von Altem und Neuem, von Gegensatz und Gleichem.“ Als Symbol für den technischen Fortschritt Anfang des 20. Jahrhunderts habe die Straßenbahn eine bedeutende Rolle in der Kunst der Avantgarde gespielt, so Reitspiesová. „In den ersten zwei Jahrzehnten beschäftigten sich viele Künstler mit modernen Fahrzeugen, sie galten als Chiffre für Bewegung und ein neues Zeitalter.“
Rembrandtova tramvaj. Kubismus, tradice a „jiné“ umění. Západočeská galerie, geöffnet: täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 100 CZK (ermäßigt: 60 CZK), bis 13. September
Lebendige Straßen
Buntes Treiben bringt das Festival „Živá ulice“ („Belebte Straße“) in alle Ecken der Stadt. Von 13. Juli bis 6. September verwandeln zahlreiche Ensembles des Tanz- und Bewegungstheaters, DJs und Aktionskünstler die Straßen und Plätze Pilsens in eine große Bühne. Gaukler, Pantomimen und Komiker aus aller Welt zeigen ihre Kunst. Erstmals präsentieren die Veranstalter in diesem Jahr das Projekt „Živá galerie“: „Die lebendige Galerie ist ein unkonventioneller Raum. Mit ihm wollen wir Vorurteile überwinden und zeigen, dass Kunst überall um uns herum sein kann“, so die Festival-Koordinatorin Táňa Švehlová. Auf die Besucher warten in der „lebendigen Galerie“ 18 großformatige Gemälde tschechischer, deutscher, finnischer und slowakischer Künstler, die entlang der Burgmauer ausgestellt werden. Im „stillen Kino“ werden Stummfilme aufgeführt, begleitet von Live-Musik. Wie in den vergangenen drei Jahren ist das Festival in drei Teile gegliedert: Der Juli steht ganz im Zeichen des Straßentheaters, im August spielen sich hauptsächlich Kleinkunst und Konzerte unter freiem Himmel ab, den Abschluss bildet das Suppenfestival auf dem Platz der Republik. Experimentierfreudige Köche und Genießer können dort eigene Rezepte erproben und andere probieren.
Živá ulice, 13. Juli bis 6. September, Informationen unter www.zivaulice.eu/de
Jazz auf dem Marktplatz
Vor neun Jahren gründete der Prager Gitarrist Rudy Linka ein Festival, das den Jazz in Tschechien populär machen sollte. Linkas Konzept, kostenlose Konzerte in mittelalterlichem Flair auf die Bühne zu bringen, ging auf. Das „Bohemia Jazz Fest“ hat sich inzwischen zur landesweit bekanntesten Veranstaltung des Genres entwickelt. Jährlich zieht es Zehntausende auf die Marktplätze der teilnehmenden Städte. Den Auftakt macht in diesem Jahr Pilsen, wo das „Bohemia Jazz Fest“ am 9. Juli beginnt. Von dort reist es weiter nach Domažlice (10. Juli), Tábor (11. Juli), Prag (13. bis 15. Juli), Liberec (16. Juli), Brünn (17. Juli) und Písek (18. Juli), bis es am 19. Juli in Prachatice zu Ende geht. In Europas Kulturhauptstadt 2015 beginnt das Festival um 17.30 Uhr mit dem JazzPrix-Wettbewerb, bei dem tschechische Nachwuchsmusiker ihr Können präsentieren. Danach treten „Kompost3“ aus Österreich und die US-amerikanische Fusion-Band „Yellow Jackets“ auf.
Informationen unter www.bohemiajazzfest.cz
Tänzerisch leicht
Jiří und Otto Bubeníček gehören zu den Meistern ihres Fachs. Als das Duo „Les Ballets Bubeníček“ stehen die Zwillinge für verspieltes und experimentierfreudiges Ballett. In den neunziger Jahren begannen die Brüder am Hamburger Ballett unter John Neumeier professionell zu tanzen. Während Otto Bubeníček auch heute noch in Hamburg engagiert ist, wechselte Jiří als Meistertänzer an die Dresdener Semperoper. Für gemeinsame Projekte stehen die Geschwister, die ihre Stücke selbst konzipieren und die Musik komponieren, immer wieder auf der Bühne. Für die Feierlichkeiten in Pilsen haben sie ein neues Programm erarbeitet, für das Tänzer der Semperoper, des Hamburger Balletts und der Königlichen Ballette von Schweden und Dänemark zusammenkommen. Mit der Choreografie treten sie am 18. und 19. Juli im Neuen Theater auf.
Les Ballets Bubeníček, 18. und 19. Juli, Eintritt: 220–1.200 CZK, Informationen unter www.plzen2015.cz/de
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?