Schüsse auf den Präsidenten

Schüsse auf den Präsidenten

Mann richtet Gaspistole auf Klaus – Leibwächter sehen tatenlos zu

3. 10. 2012 - Text: Martin NejezchlebaText: mn/čtk

Es geschah um kurz vor 15 Uhr, bei Blasmusik und Sonnenschein im nordböhmischen Chrastava. Nach der Eröffnung einer Brücke über den Fluss Jeřice schreitet Präsident Václav Klaus an diesem Freitagnachmittag zufrieden durch die Menge, schüttelt Hände, plaudert mit den Einwohnern. Unter ihnen Pavel Vondrouš, 26 Jahre alt, kurz geschorene Haare, von oben bis unten in Tarnfarben gekleidet. Er hat sich seinen Weg bis ganz nach vorne gebahnt. Dann geht es schnell. Es macht klack, klack, klack – sieben Mal. Präsident Klaus blickt ungläubig auf die Pistole an seinem rechten Arm, vorwurfsvolle Worte an die Leibwache, ein bitteres Lächeln in die Richtung, aus der noch vor wenigen Sekunden die Plastikkügelchen aus nächster Nähe abgefeuert wurden.

Nach verübtem „Attentat“, wie Klaus die ungefährlichen Schüsse aus der Airsoft-Pistole später nannte, läuft Vondrouš völlig unbehelligt davon. Er gibt ein Interview für das Fernsehen, raucht eine Zigarette und nimmt dann Platz im Polizeiwagen. Mit seiner Tat habe er auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung hinweisen wollen. Und darauf, dass „Politiker blind und taub für die Klagen der einfachen Leute sind“. Der Griff zur Gaspistole sei für den Schweißer die einzige Möglichkeit gewesen, auf die Missstände hinzuweisen. „Das war nicht nur gegen ihn (gemeint ist Präsident Klaus, Anmerkung der Redaktion) gerichtet, sondern gegen das ganze System“, sagte der Täter am Montag, nachdem er den Großteil des Wochenendes in Untersuchungshaft und mit Verhören verbracht hat. Nun drohen ihm bis zu zwei Jahre Haft wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Geärgert hat sich vor allem Václav Klaus. Seine Leibwächter waren mit der Aktion gegen das Staatsoberhaupt völlig überfordert, offene Münder waren die einzige Reaktion, zu der sie fähig waren. Die Generalinspektion der Sicherheitsbehörden wertet nun das Verhalten des Sicherheitsleute  aus. Der Chef der präsidialen Leibwache ist inzwischen zurückgetreten. Weitere Personalwechsel sind zu erwarten.

Politiker im ganzen Land verurteilten die Tat. Schärfere Sicherheitsmaßnahmen wollen sie bislang jedoch nicht ergreifen. So tritt Regierungschef Petr Nečas (ODS) in der Öffentlichkeit gänzlich ohne Leibwache auf. „Auch dieser Zwischenfall wird meine Entscheidung nicht ändern“, ließ der Premier noch am selben Tag von sich hören. Kritik an Klaus äußerte am Dienstag Roman Joch, Berater für Menschenrechte des Premiers. Von einem Attentat könne keine Rede sein, Klaus’ Verhalten bezeichnete er als feige. Nečas distanzierte sich von seinem Berater und beendete gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Joch.

Václav Klaus wollte die Geschehnisse vor Ort nicht weiter kommentieren, sprach lediglich von „verrückten Leuten“ die „aber auch durch so manchen aufgehetzt werden“. Später wurde Klaus im Zentralen Militärkrankenhaus in Prag untersucht, leichte Blutergüsse am Arm wurden festgestellt. Danach fand der Präsident drastischere Worte für das Geschehene: „Das war kein ‚bedauernswerter Zwischenfall’, wie das Premier Nečas so ungeschickt formuliert hat“, sagte Klaus im Interview mit der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“. „Das war vielmehr das erste Attentat auf einen Präsidenten seit hundert Jahren unseres modernen Staates“, so das Staatsoberhaupt weiter. Die Tat zeuge vom außerordentlich schlechten Zustand, in dem sich die Gesellschaft befände. Wer seiner Meinung nach die Öffentlichkeit aufhetze, das wollte Klaus jedoch nicht konkretisieren.

In der jüngsten Vergangenheit kam es in Tschechien öfter zu tätlichen Übergriffen auf Politiker. Klaus selbst wurde 1998 noch als Vorsitzender seiner damaligen ODS Opfer einer Eier-Attacke. Oppositionsführer Bohuslav Sobotka (ČSSD) hingegen musste vor knapp zwei Jahren einen Faustschlag ins Gesicht einstecken. Der Täter wurde zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Gegen den einstigen Premier Jiří Paroubek (NS-LEV 21) organisierten sich die eierwerfenden Kritiker sogar via Internet und setzten den umstrittenen Politiker im Vorwahlkampf regelmäßig unter Dauerbeschuss.