Ritter Rüdiger kehrt zurück

Ritter Rüdiger kehrt zurück

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Figur aus der Nibelungensage in Jablonec nad Nisou unerwünscht. In den sechziger Jahren wurde sie ins Allgäu verkauft. Jetzt ist Rüdiger in Nordböhmen wieder willkommen

3. 2. 2016 - Text: Stanislav BeranText: Stanislav Beran; Foto: APZ

Vor fast 50 Jahren wurde die übermannsgroße Bronzestatue des Rüdiger von Bechelaren ins Exil nach Westdeutschland geschickt. Jetzt soll Rüdiger ins Stadtbild von Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße) zurückkehren. Die Mehrheit der Stadtvertreter hat sich kürzlich dafür ausgesprochen, eine Kopie des Rüdigerdenkmals aufzustellen. Sie wollen die Statue des Ritters am ursprünglichen Standort errichten. Noch unklar ist, wie viel die Kopie kosten wird und wer sie herstellt. Ob der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds das Projekt fördern kann, wird noch geprüft.

Die Initiative für Rüdigers Rückkehr kam von mehreren Experten der Stadt Jablonec, darunter Architekten, Bildhauer und Historiker. Die Debatte löste mehrfach auch Kritik bei den Bewohnern der Stadt aus. „Die Statue hat mit dem heutigen Jablonec nichts zu tun. Warum also sollte man sie wieder aufstellen“, fragte zum Beispiel Stadtrat Václav Vostřák (ODS). „Natürlich ist er kein tschechischer Gönner, aber er ist ein Symbol für die edlen Ideen des Rittertums“, konterte der ebenfalls aus Jablonec stammende Bildhauer Jiří Dostál. Bürgermeister Petr Beitl (ODS) hält die Proteste gegen das Rüdigerdenkmal für unbegründet.

Die Statue der Figur aus der Nibelungensage wurde vom böhmisch-österreichischen Jugendstil-Bildhauer Franz Metzner (1870-1919) entworfen, ursprünglich allerdings nicht für Gablonz. Im Jahr 1904 erhielt Metzner von der Stadt Wien den Auftrag, einen Nibelungenbrunnen zu schaffen, der seinen Platz an der Wiener Ringstraße vor der Votivkirche bekommen sollte. Als sich das Vorhaben zerschlug, erwarb die Gesellschaft zur Förderung deutscher Kunst und Wissenschaft in Prag die einzige bereits fertige Teilfigur des Brunnens, den Rüdiger.

Erst fünf Jahre nach Metzners Tod kaufte die Stadt Gablonz die Skulptur für 50.000 Kronen. Vorläufig fand sie einen Standort am Tuchplatz gegenüber der Anna-Kirche. Ende der zwanziger Jahre wurde Rüdiger bei der Bauplanung für die gerade entstehende Herz-Jesu-Kirche berücksichtigt und auf der Bastei vor der Kirche aufgestellt. Der Brunnen mit Skulptur und Reliefs wurde 1931 eingeweiht, insgesamt wurden dafür 700.000 Kronen aufgewendet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der 2,90 Meter hohe Ritter Rüdiger in der Nacht zum 15. Juni 1945 gestürzt, beschädigt und von betrunkenen Rotgardisten hinter einem Lastwagen durch die Stadt bis zum Rathaus gezogen. Schließlich landete er auf dem Schrottplatz. 1958 übernahm die Nationalgalerie in Prag das Kunstwerk. Rüdigers Platz in Jablonec füllte ein Rot­armist aus Gips.

Die Vertriebenen aus Gablonz hatten sich in der Zwischenzeit mehrheitlich im Kaufbeurer Stadtteil Neugablonz im Allgäu angesiedelt. Seit 1954 versuchten sie wiederholt, das Wahrzeichen in ihre neue Heimat zu holen. Doch erst im Zuge des Prager Frühlings ergab sich die Möglichkeit. Die Museumsverwaltung der Tschechoslowakei bot im Rahmen einer Maßnahme zur Devisenbeschaffung über einen Münchner Kunsthändler den Rüdiger für 10.000 US-Dollar an (damals ein Gegenwert von etwa 40.000 Deutsche Mark).

Die Unternehmer Otto Walter und Alfred Prediger aus Neugablonz spendeten den geforderten Betrag, sodass die Statue und die Reliefs Richtung Kaufbeuren versandt wurden, wo sie am 17. Februar 1968 ankamen. Am 30. August 1970 wurde die Rüdiger­skulptur in der Parkanlage vor der Herz-Jesu-Kirche im Stadtteil Neugablonz aufgestellt.

Dass nun bald auch in Jablonec nad Nisou wieder ein Rüdiger stehen soll, begrüßt nicht nur die Stadt Kaufbeuren, auch die Vertriebenen freuen sich über die Initiative. Um welche Geste es sich dabei handelt, ist auch den Verantwortlichen in Nordböhmen bewusst. Das Projekt sei „ein Symbol der Aussöhnung mit der Vergangenheit und der Abschluss der Kriegsgeschichte“, sagte die Sprecherin der Stadt Markéta Hozová. Das Denkmal soll noch 2016 zum 150. Jahrestag der Stadterhebung in Jablonec enthüllt werden.